4. Dezember 2011

THE FALL OF THE HOUSE OF DAVID (Helden der Bibel 4C)




I'M BACK YEAH I'M STANDING ON THE ROOFTOPS SHOUTING OUT: BABY, I'M READY TO GO

Nach jahrelangen Konflikten und einem siebenjährigen Bürgerkrieg hat David nun endlich die alleinige Herrschaft über das ganze israelische Königreich errungen. Leider entpuppt aber auch er sich als Fehlbesetzung und macht Gott sehr bald todunglücklich und mörderisch wütend...

Während seine Armee sich gerade einmal wieder im Auslandseinsatz befindet, entspannt sich der König auf dem Dach seines Palastes. Von dort erspäht David eine wunderschöne Frau, die gerade auf einem anderen Dach ein Bad nimmt. Er denkt sich: "Ist das nicht die Alte vom Uria? Nicht schlecht... Gekauft!".
Er lässt die Frau namens Bath-Seba zu sich bringen und bricht mit ihr die Ehe. Unglücklicherweise wird Bath-Seba - dessen Mann sich momentan für David im Krieg gegen die Ammoniter befindet - in dieser Nacht von David schwanger...

Aber lesen wir doch lieber den Bibeltext, der das Ganze viel schöner und poetischer als ich zu beschreiben vermag. Die Qualität dieser Weltliteratur erkennt man sofort - zum Beispiel daran, dass jeder Vers mit "Und" beginnt, was als besonders guter Stil gilt.

"1
Und da das Jahr um kam, zur Zeit, wann die Könige pflegen auszuziehen, sandte David Joab und seine Knechte mit ihm das ganze Israel, daß sie die Kinder Ammon verderbten und Rabba belagerten. David aber blieb zu Jerusalem.

2 Und es begab sich, daß David um den Abend aufstand von seinem Lager und ging auf dem Dach des Königshauses und sah vom Dach ein Weib sich waschen; und das Weib war sehr schöner Gestalt.
3 Und David sandte hin und ließ nach dem Weibe fragen, und man sagte: Ist das nicht Bath-Seba, die Tochter Eliams, das Weib des Urias, des Hethiters?
4 Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. Und da sie zu ihm hineinkam, schlief er bei ihr. Sie aber reinigte sich von ihrer Unreinigkeit und kehrte wieder zu ihrem Hause.
5 Und das Weib ward schwanger und sandte hin und ließ David verkündigen und sagen: Ich bin schwanger geworden."

(2 Samuel 11:1-5)




Und das ist natürlich jetzt blöd für David. Und so ersinnt der König einen perfiden Plan, um Uria, den Mann Bath-Sebas, aus dem Weg zu räumen. Und er schreibt einen Brief an seinen Hauptmann und weist ihn an: "Und wenn der Kampf im vollen Gange ist, zieht euch zurück und überlasst Uria dem sicheren Tod. Und Tschüß."

"14 Des Morgens schrieb David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Uria.
15 Er schrieb aber also in den Brief: Stellt Uria an den Streit, da er am härtesten ist, und wendet euch hinter ihm ab, daß er erschlagen werde und sterbe."

(2 Samuel 11:14-15)





Das Hinterhältigste an diesem Plan ist, dass der ahnungslose Uria den Brief mit seinem Todesurteil selbst an der Front übergibt. Er ist David zu treu, um ihn zu hintergehen und die Botschaft aus Neugierde zu öffnen - genau wie Davids Soldaten zu treu sind, um Davids Befehl zu verweigern. So stirbt der arme Uria durch die Hand der Ammoniter. Doch auf dem Gewissen hat ihn definitiv David.
Nicht, dass das schockierend wäre, wir haben ja zuvor schon von Davids Kriegen gehört, bei denen er keinen Menschen am Leben lässt. Wer fremde Völker angreift und tausendfache Massaker befiehlt, schreckt wohl vor keinem Kriegsverbrechen zurück. Der wichtige Unterschied zu dieser Aktion ist, dass Gott mit dieser Sache gar nicht einverstanden ist.

"26 Und da Urias Weib hörte, daß ihr Mann, Uria, tot war, trug sie Leid um ihren Eheherrn.
27 Da sie aber ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie ward sein Weib und gebar ihm einen Sohn. Aber die Tat gefiel dem HERRN übel, die David tat."

(2 Samuel 11:26-27)



David ist ein großartiger König und sorgt sich um die Witwen des schrecklichen, aber unvermeidbaren Krieges, den er angefangen hat. Wenigstens um die, die von ihm ein Kind erwarten, wie Bath-Seba, die zur mindestens achten Frau des Königs wird (1 Samuel 18:27, 2 Samuel 3:2-5, ).

Wer denkt, David sei ein außergewöhnlich potenter König, wird im "Buch der Könige" eines Besseren belehrt. Da stellt ihn sein Sohn und Nachfolger Salomon locker in den Schatten, denn der hat gleich 700 Ehefrauen. Trotzdem findet er bewundernswerter Weise auch noch Zeit für immerhin noch 300 Nebenfrauen...

"1 Aber der König Salomo liebte viel ausländische Weiber: Die Tochter Pharaos und moabitische, ammonitische, edomitische, sidonische und hethitische,
2 von solchen Völkern, davon der HERR gesagt hatte den Kindern Israel: Gehet nicht zu ihnen und laßt sie nicht zu euch kommen; sie werden gewiß eure Herzen neigen ihren Göttern nach. An diesen hing Salomo mit Liebe.
3 Und er hatte siebenhundert Weiber zu Frauen und dreihundert Kebsweiber; und seine Weiber neigten sein Herz."

(1. Könige 11:1-3)




KIND DES TODES

Der Prophet Nathan, durch den Gott mit David spricht, versucht dem König sein Fehlverhalten im Falle Bath-Seba durch eine Parabel verständlich zu machen.

"1 Und der HERR sandte Nathan zu David. Da der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, einer reich, der andere arm.  
2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder;  
3 aber der Arme hatte nichts denn ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, daß es groß ward bei ihm und bei seinen Kindern zugleich: es aß von seinem Bissen und trank von seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt es wie eine Tochter. 
4 Da aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, schonte er zu nehmen von seinen Schafen und Rindern, daß er dem Gast etwas zurichtete, der zu ihm gekommen war, und nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es zu dem Mann, der zu ihm gekommen war."

(2 Samuel 12:1-4)



David ist empört: Eine solche Ungerechtigkeit in seinem Königreich! Das kann nicht sein! So sollte man nicht mit dem armen, netten Mann umgehen, der sein Schaf wie eine Tochter behandelt - anstatt, wie damals auch oft üblich, wie eine Ehefrau. Umbringen sollte man den reichen Schweinehund!

"5 Da ergrimmte David mit großem Zorn wider den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt, der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat!  
6 Dazu soll er vierfältig bezahlen, darum daß er solches getan hat und nicht geschont hat."

(2 Samuel 12:5-6)



Warum hat Gott in seiner Allwissenheit eigentlich nicht geahnt, dass David die Geschichte nicht versteht und Nathan sofort eine Botschaft mitgegeben, mit der David etwas anfangen kann?
Es scheint schon etwas ungerecht, dass Gott von uns erwartet, die zahllosen Gleichnisse der Bibel - eine beliebte Kommunikationsform von Jesus zum Beispiel - richtig zu verstehen. Der Mann jedenfalls, den Gott zum König über sein auserwähltes Volk gemacht hat, versteht es nicht, zwischen den Zeilen zu lesen und die Geschichte auf seine eigene Situation anzuwenden. Daher redet Nathan nun Klartext.
 
"7 Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls,

8 und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Weiber in deinen Schoß, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun.  
9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, daß du solches Übel vor seinen Augen tatest? Uria, den Hethiter, hast du erschlagen mit dem Schwert; sein Weib hast du dir zum Weib genommen; ihn aber hast du erwürgt mit dem Schwert der Kinder Ammon."

(2 Samuel 12:5-6)


David, der gerade noch für einen ausgedachten Schafdieb die Todesstrafe gefordert hatte, sieht nun ein, dass eine Frau zu stehlen noch schlimmer ist als ein Schafdiebstahl. Ein Frau ist unbestreitbar wertvoller als ein Schaf. Mindestens zwei Schafe sollte man doch dafür verlangen dürfen. Außerdem kommt ja noch ein kaltblütiger Mord dazu.
Dennoch findet David plötzlich aus unerfindlichen Gründen die Todesstrafe in seinem Fall als zu hart...
Dazu kommt es auch nicht. David wird vom gerechten Gott damit gestraft, dass seine Lieblings-Besitztümer, seine Frauen, geschändet und damit unbrauchbar werden. So ein Ärger - für David!

"11 So spricht der HERR: Siehe, ich will Unglück über dich erwecken aus deinem eigenen Hause und will deine Weiber nehmen vor deinen Augen und will sie deinem Nächsten geben, daß er bei deinen Weibern schlafen soll an der lichten Sonne.  

12 Denn du hast es heimlich getan; ich aber will dies tun vor dem ganzen Israel und an der Sonne."

(2 Samuel 12:11-12)



Nun, da seine Sünde aufgeflogen ist, bereut David die Tat und beichtet, wenn auch in etwas kompakter Form, die nicht gerade eine tiefe, persönliche Einsicht in sein Fehlverhalten vermuten lässt...

"13 Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt wider den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben."

(2 Samuel 12:13)



Der HERR erklärt sich wegen Davids Beichte bereit, David nicht zu töten und die Sünde "wegzunehmen". Heißt das jetzt, dass Davids Ehefrauen nicht vergewaltigt werden? Immerhin sind sie ja eigentlich sowieso unschuldig an dem Ehebruch und selbst Opfer dieser Tat, da David ja auch ihre Ehe gebrochen hat. Ich wäre ganz dafür, dass jeweils die Schuldigen und nicht Unbeteiligte für eine Fehltat bestraft werden. Aber auf mich hört ja keiner.

Gott beschließt eine noch grausamere und moralisch abstoßendere Abscheulichkeit als Strafe für das Handeln des Königs. Davids Baby mit Bath-Seba wird von Gott mit einer Krankheit geschlagen. Nach einem siebentägigen Todeskampf stirbt der kleine Mensch endlich.
Klingt grausam, ist aber notwendig, da die Feinde des HERRN schon heimlich über ihn lästern, was er ja nicht auf ihm sitzen lassen kann!

"14 Aber weil du die Feinde des HERRN hast durch diese Geschichte lästern gemacht, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. 
15 Und Nathan ging heim. Und der HERR schlug das Kind, das Urias Weib David geboren hatte, daß es todkrank ward. [...]
18 Am siebenten Tage aber starb das Kind."

(2 Samuel 12:14-15,18)




Nun hat das Leiden des Kindes, dessen Namen wir nicht einmal erfahren, endlich ein Ende. Viele Leute glauben, Gott habe einen Plan für jeden Menschen. Selten jedoch ist damit gemeint, dass Gott Menschen erschafft, die er quälen und töten kann, um andere Menschen für ihre Sünden zu bestrafen. Anscheinend ist es aber so.

Übrigens: Auch Davids Frauen werden noch vergewaltigt, keine Sorge, doch dazu später mehr.



CHILDREN OF THE REVOLUTION

Der Tod von Davids Baby ist nur der Anfang von Gottes Rache...
Wie Gott es verkündet hatte, kommt das Unheil aus dem eigenen Haus. Zunächst vergewaltigt einer von Davids Söhnen, Amnon, seine jungfräuliche Schwester Thamar.
Das wäre an sich ja nichts Schlimmes, doch er tut das ohne die Erlaubnis des Königs. Wenn er nur fragen würde, ist sich Thamar sicher, hätte ihr gemeinsamer Vater zweifellos nichts dagegen einzuwenden. Aber so...

"1 Und es begab sich darnach, daß Absalom, der Sohn Davids, hatte eine schöne Schwester, die hieß Thamar; und Amnon, der Sohn Davids, gewann sie lieb. 

2 Und dem Amnon ward wehe, als wollte er krank werden um Thamars, seiner Schwester, willen. Denn sie war eine Jungfrau, und es deuchte Amnon schwer sein, daß er ihr etwas sollte tun. [...]
11 Und da sie es zu ihm brachte, daß er äße, ergriff er sie und sprach zu ihr: Komm her, meine Schwester, schlaf bei mir!
12 Sie aber sprach zu ihm: Nicht, mein Bruder, schwäche mich nicht, denn so tut man nicht in Israel; tue nicht eine solche Torheit!
13 Wo will ich mit meiner Schande hin? Und du wirst sein wie die Toren in Israel. Rede aber mit dem König; der wird mich dir nicht versagen.  
14 Aber er wollte nicht gehorchen und überwältigte sie und schwächte sie und schlief bei ihr."

(2 Samuel 13:1-2,11-14)






Absolom, ebenfalls einer von Davids Söhnen, ermordet daraufhin seinen Bruder Amnon für die Schändung seiner Schwester (2 Samuel 13:29). Einige Jahre später ruft Absolom sich selbst zum neuen König über Israel aus. Es kommt erneut zu einem Bürgerkrieg, bei dem allein während einer einzigen Schlacht 20.000 Menschen sterben (2 Samuel 18:7).

Auch Zivilisten leiden in dem Krieg. So vergewaltigt Absolom öffentlich die Nebenfrauen seines Vaters, wie Gott es David versprochen hatte.

"22 Da machten sie Absalom eine Hütte auf dem Dache, und Absalom ging hinein zu den Kebsweibern seines Vaters vor den Augen des ganzen Israel."

(2 Samuel 16:22)



Absolom hat schließlich einen komischen Slapstick-Unfall, als er beim Reiten an einem Ast hängen bleibt und sein Maultier ohne ihn weiterläuft. Einer von Davids Hauptmännern sieht den am Baum hängenden Rebellen und tut das, was ein ehrenwerter Soldat aus Gottes auserwählten Volk mit wehrlosen, unbewaffneten Gegnern halt so tut.

"9 Und Absalom begegnete den Knechten Davids und ritt auf einem Maultier. Und da das Maultier unter eine große Eiche mit dichten Zweigen kam, blieb sein Haupt an der Eiche hangen, und er schwebte zwischen Himmel und Erde; aber sein Maultier lief unter ihm weg. [...]

14 Joab sprach: Ich kann nicht so lange bei dir verziehen. Da nahm Joab drei Spieße in sein Hand und stieß sie Absalom ins Herz, da er noch lebte an der Eiche.  
15 Und zehn Knappen, Joabs Waffenträger, machten sich umher und schlugen ihn zu Tod."

(2 Samuel 18:9,14-15)





Obwohl Absolom nun tot ist, kehrt kein dauerhafter Frieden im Land ein. Ein weiterer Aufstand unter einem Mann namens Seba bricht aus. Es schien unter David nicht allzu schwer gewesen zu sein, das gesamte Volk gegen seinen König aufzubringen.

"1 Es traf sich aber, daß daselbst ein heilloser Mann war, der hieß Seba, ein Sohn Bichris, ein Benjaminiter; der blies die Posaune und sprach: Wir haben keinen Teil an David noch Erbe am Sohn Isais. Ein jeglicher hebe sich zu seiner Hütte, o Israel! 

2 Da fiel von David jedermann in Israel, und sie folgten Seba, dem Sohn Bichris."

(2 Samuel 20:1-2)




DIE QUAL DER ZAHL

Nachdem schließlich auch der Rebell Seba einem Mordanschlag zum Opfer fällt und für ein Weilchen wieder Ruhe im Land eingekehrt ist, entschließt Gott sich dazu, sein Volk zählen zu lassen. Sicher, mit seiner Allwissenheit hätte er auch selbst nachzählen können, aber er hat Besseres zu tun und delegiert daher übellaunig die Aufgabe an seinen König David.

"1 Und der Zorn des HERRN ergrimmte abermals wider Israel und er reizte David wider sie, daß er sprach: Gehe hin, zähle Israel und Juda!

(2. Samuel 24:1)


Nun scheint Gott wirklich endgültig den Verstand verloren zu haben: Weil David sein Volk zählen lässt, wie er es befohlen hatte, ist der HERR stinksauer auf David.

"11 Und da David des Morgens aufstand, kam des HERRN Wort zu Gad, dem Propheten, Davids Seher, und sprach:
12
Gehe hin und rede mit David: So spricht der HERR: Dreierlei bringe ich zu dir; erwähle dir deren eins, daß ich es dir tue.
13
Gad kam zu David und sagte es ihm an und sprach zu ihm: Willst du, daß sieben Jahre Teuerung in dein Land komme? oder daß du drei Monate vor deinen Widersachern fliehen müssest und sie dich verfolgen? oder drei Tage Pestilenz in deinem Lande sei? So merke nun und siehe, was ich wieder sagen soll dem, der mich gesandt hat."

(2 Samuel 24:11-13)



Wenigstens darf sich David seine Strafe selbst aussuchen. Nachdem Gott Davids Frauen öffentlich vergewaltigen ließ und sein Kind qualvoll ermordete, hat David jetzt vielleicht doch zumindest gelernt, die Verantwortung für sein Handeln selbst zu übernehmen und nicht Unschuldige dafür sterben zu lassen. Nein?..

"15 Also ließ der HERR Pestilenz in Israel kommen von Morgen an bis zur bestimmten Zeit, daß des Volks starb von Dan an bis gen Beer-Seba siebzigtausend Mann."

(2 Samuel 24:15)




So sterben 70.000 Menschen - zu jeder Zeit ein grausames Massaker, bei der damaligen Bevölkerungsdichte aber auch für die Überlebenden besonders verheerend. Als sein Wutanfall abflacht, sieht Gott, was er getan hat, und bereut seine Übeltat.

"16 Und da der Engel seine Hand ausstreckte über Jerusalem, daß er es verderbte, reute den HERRN das Übel, und er sprach zum Engel, zu dem Verderber im Volk: Es ist genug; laß deine Hand ab! Der Engel aber des HERRN war bei der Tenne Aravnas, des Jebusiters.  
17 Da aber David den Engel sah, der das Volk schlug, sprach er zum HERRN: Siehe, ich habe gesündigt, ich habe die Missetat getan; was haben diese Schafe getan? Laß deine Hand wider mich und meines Vaters Haus sein!"

(2 Samuel 24:16-17)




DAMNED IF YOU DO, DAMNED IF YOU DON'T

Nachdem er dafür von Gott bestraft wird, sieht auch David ein, dass er sich falsch verhalten hat und daher er - und nicht sein Volk - Gottes Zorn verdient hat.

Doch hat er das wirklich? Immerhin hat er nur gemacht, was Gott ihm gesagt hat. War es ein Test? Hält Gott Volkszählungen für eine schreckliche Sünde? Und ordnet trotzdem den Zensus an, um zu sehen, ob David sich richtig verhält? Nun, er hat sich richtig verhalten, diesmal - zumindest nach biblischen Standards. Erinnern wir uns an die Geschichte von Abrahams Opfer. Gott verlangt im Buch Genesis von Abraham, dass dieser ihm seinen Sohn Isaak opfern solle [mehr dazu in "OPFA! (Das Buch Genesis Teil 7)"]. Obwohl Abraham sicherlich moralische Bedenken hat (obwohl im Text davon nichts steht), ist das richtige Verhalten laut Meinung der Bibel eindeutig, zu tun, was Gott sagt. Der HERR lobt Abraham schließlich dafür, dass er Isaak geopfert hätte, wäre Gott nicht im letzten Moment eingeschritten.
Wenn Gott also nur Dinge befiehlt, die man in jedem Fall ungefragt umsetzen soll, dann hat er keinen Grund, irgendwen für die Volkszählung zu bestrafen. Im Gegenteil: Er hätte David für die Befehlsverweigerung bestrafen müssen, wenn der sich geweigert hätte.

Oder verlangt Gott von uns moralisch eigenständiges Denken - das "richtig" und "falsch" selbst dann unterscheiden kann, wenn der HERR von uns unmoralisches Handeln fordert?
Dann hätte Abraham seine Prüfung wohl zweifellos nicht bestanden, Gott hätte dessen Nachkommen nicht zum auserwählten Volk gemacht und es gäbe gar kein Volk, dass man hätte zählen können.

Vielleicht handelt es sich um verschiedene Arten von Prüfungen. Gott befiehlt in beiden Fällen etwas, das seinen Gesetzen wiederspricht, Prüfung A gilt als bestanden, wenn man tut, was Gott sagt, Prüfung B gilt als bestanden, wenn man nicht tut, was Gott sagt. Leider verrät der HERR, bevor er Menschen versucht, nicht unbedingt, welche Art von Prüfung gerade ansteht.
Macht man, was Gott sagt, kann es falsch sein, unterlässt man es, kann es auch falsch sein. Das weiß man dann aber erst, wenn es womöglich schon zu spät ist.
Das klingt aber nicht nach einem gerechten, weisen Richter, sondern nach einem willkürlichen Tyrannen. Seltsam...

Wie kann man einen solchen theologischen Widerspruch auflösen? In einer zweiten Version der Volkszählungs-Story im späteren "Buch der Chronik" wird ein einziges Detail verändert und schon funktioniert die Geschichte wieder. Statt Gott hat nun einfach der Teufel die Volkszählung angeordnet...

"1 Und der Satan stand wider Israel und reizte David, daß er Israel zählen ließe." 

(1. Chronik 21:1)





YOU AND ME ALWAYS AND FOREVER

Später heißt es plötzlich, David habe sich ein Leben lang richtig und gottgefällig verhalten, bis auf die Sache mit Uria. Die verbotene Volkszählung wird einfach komplett ignoriert. Auch eine Methode!

"4 Denn um Davids willen gab der HERR, sein Gott, ihm eine Leuchte zu Jerusalem, daß er seinen Sohn nach ihn erweckte und Jerusalem erhielt,

5 darum daß David getan hatte, was dem HERRN wohl gefiel, und nicht gewichen war von allem, was er ihm gebot sein Leben lang, außer dem Handel mit Uria, dem Hethiter."

(1 Könige 15:4-5)



Davids Sohn Salomon sollte schließlich zu seinem Nachfolger werden und in Jerusalem den ersten Tempel bauen. Eigentlich müsste Salomon nur der erste König auf dem ewigen Thron der Davids-Familie sein - so hatte Gott ihm das zumindest versprochen.

"12 Wenn nun deine Zeit hin ist, daß du mit deinen Vätern schlafen liegst, will ich deinen Samen nach dir erwecken, der von deinem Leibe kommen soll; dem will ich sein Reich bestätigen. 
13 Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will den Stuhl seines Königreichs bestätigen ewiglich."

(2 Samuel 7:12-13)



Dazu ist es aber dann doch nicht gekommen. In der echten Welt ist es völlig unbelegt, dass es Davids Reich überhaupt gab. Und selbst in der Geschichte, die die Bibel uns erzählt, erhalten Davids und Salomons Nachfahren niemals einen ewiglichen Thron über das gesamte Reich.
Schon unter Salomons Nachfolger Rehoboam kommt es schon wieder zu einem Bürgerkrieg und einer Teilung des Landes (1 Könige 12). Das Königreich in den Grenzen von Davids Herrschaft sollte nie wieder erstehen. Erst wurde der abtrünnige Norden ausländisch besetzt, schließlich auch der Süden. Zuerst von den Babyloniern, dann den Persern, dann den Männern Alexanders des Großen, dann von den Römern. Unter den Römern versuchten die Juden einen Aufstand, der blutig niedergeschlagen wurde und dazu führte, dass die Juden Jahrhunderte lang außerhalb des gelobten Landes überall auf der Welt zerstreut leben müssen und dort nicht immer zuvorkommend behandelt wurden.



DEIN REICH KOMME

Was ist nun also mit dem ewigen Thron? Pustekuchen, etwa? Die Juden sind geduldig und warten immer noch auf den Gesandten Gottes aus dem Haus David, der seinen rechtmäßigen Thron auf Gottes Reich beansprucht. Da Könige bei den Juden nicht gekrönt, sondern gesalbt werden, wird der Erwartete "Messias" genannt, "der Gesalbte".
Christen dagegen sind der Ansicht, der im alten Testament angekündigte Messias war Jesus, der den Beinahmen Christus trägt - die lateinische Form von "christos", was übersetzt ebenfalls "der Gesalbte" heißt. Das Königreich, das Jesus aufgebaut hat, sei aber nicht irdisch. so erzählt man, sondern eine Stadt im Himmel, ein neues Jerusalem mit komfortablen Ausblick auf Gott.

Im Matthäus- und Lukas-Evangelium finden wir Stammbäume, die David mit Jesus verbinden sollen (auch wenn sie bei Josef enden, dem mit Jesus nicht blutsverwandten Adoptivpapa Christi). Dabei haben die Figuren "David" und "Jesus" eigentlich wenig gemeinsam und dass man irgendwie von David abstammt, reicht allein sicher nicht aus, um Messias zu werden.
Amnon, der seine jungfräuliche Schwester vergewaltigt und Absolom, der seinen Brüder tötet, Landesverrat begeht und einen Volksaufstand gegen seinen Vater anzettelt, sind immerhin auch Söhne Davids, nicht aber unbedingt der Stoff, aus dem Messiasse gemacht werden.

Was hat aber Jesus außer der Verwandschaft mit David gemein? Jesus fordert die Menschen in seiner Bergpredigt auf, alle Menschen zu lieben, auch seine Feinde. David dagegen hat seinen Feinden wenig Liebe gezeigt, als er sie ermordet hat. Deutlich wird in der Bibel beschrieben, dass Davids militärische Aktionen nie mit Gefangenen enden, sondern mit der totalen ethnischen Reinigung des Feindesgebiets.
Auch das Verhältnis zur Damenwelt könnte bei David und Jesus nicht unterschiedlicher sein. Jesus wird nicht nur von einer Jungfrau geboren, sondern ist selbst bis zu seinem Tod jungfräulich - obwohl er weder eine Frau war, noch besonders jung, sondern in etwa die damalige durchschnittliche Lebenserwartung erreicht hatte.
Jesus' Mangel an sexuellen Erfahrungen hält ihn allerdings nicht ab, sich kompetent dazu zu fühlen, allen Menschen auf der Welt vorzuschreiben, wie sie ihr Liebesleben gestalten müssen.

"4 Er [=Jesus] antwortete aber und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, daß, der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, daß ein Mann und ein Weib sein sollte,

5 und sprach: "Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei ein Fleisch sein"?  
6 So sind sie nun nicht zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden."

(Jesus in Matthäus 19:4-6 )



Eine Ehe darf also nur aus einem Mann und einer Frau bestehen? Gut, dass Jesus das erwähnt, das ist nämlich neu. Im alten Testament hat Gott kein Problem mit Polygamie - natürlich nur mit einem Mann und vielen Frauen und nicht umgekehrt, klar!
So hat David selbst mindestens acht Ehefrauen und mindestens zehn Nebenfrauen (2 Samuel 15:16). Salomon hatte sogar 1000 Frauen. Dennoch wird er dafür von Gott weder bestraft noch ermahnt. Nur dass Salomon auch ausländische Frauen heiratet, was Gott ausdrücklich verbietet, wird ihm in der Bibel negativ angerechnet (1 Könige 11:2).



IT'S A COLD AND IT'S A BROKEN HALLELUJAH

Was ist denn nun an David so toll? Warum gibt Gott (irgendwann) gerade dessen Nachkommen die Herrschaft über sein erwähltes Volk? Was kann David, das andere nicht können?
Wie bereits erwähnt, ist David ein äußerst begabter Mörder. Zumindest wird das so über gesagt, allerdings nicht in einem Ton der Furcht vor einem Tyrannen, sondern als besondere Auszeichnung.

"6 Es begab sich aber, da er wiedergekommen war von des Philisters Schlacht, daß die Weiber aus allen Städten Israels waren gegangen mit Gesang und Reigen, dem König Saul entgegen, mit Pauken, mit Freuden und mit Geigen.
7 Und die Weiber sangen gegeneinander und spielten und sprachen: Saul hat tausend geschlagen, aber David zehntausend."

(1 Samuel 18:6-7)


Die Zeiten haben sich wohl ein wenig gewandelt. Wenige Menschen würden heutzutage wohl noch Gerüchte von zehntausenden Morden als besondere Qualifikation für einen besonders guten politischen Anführer ansehen. Innenpolitisch war David nicht so arg erfolgreich: Unter seiner Herrschaft gab es mehrere, teilweise jahrelange blutige Aufstände gegen ihn.

Auch als moralisches Vorbild taugt David nicht so sehr. Er verärgert zweimal Gott mit grausamen Folgen für Unbeteiligte, einmal durch einen hinterhältigen Mordkomplott an einem seiner eigenen Soldaten und Nachbarn. Davids Vorgänger wurde schon wegen weniger als König gefeuert - er hatte nur gegen die Anweisungen Gottes auf einen Mord verzichtet. Das kann ihm Gott nicht verzeihen, obwohl Saul seine Sünde bitterlich bereut (1 Samuel 15:24).




David bereut seine Sünden ebenfalls, zufälligerweise allerdings immer erst, nachdem er die verheerenden Folgen von Gottes Bestrafung sieht: Als sein Kind stirbt und nachdem 70.000 Menschen der Volkszählung zum Opfer gefallen sind. Gott verzeiht David für seine Taten und dennoch müssen Unbeteiligte dafür sterben.


Allein die pure Vorstellung von Sex mit verheirateten Frauen, so Jesus in der Bergpredigt, sei Ehebruch im Herzen und führe direkt in die Hölle. Das ist der Standard, der Gott an die Christenmenschen anlegt, während er seinen Lieblingskönig David mit Ehebruch und Mord davonkommen  lässt.

"28 Ich aber sage euch: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.
29 Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde."

(Jesus in der Bergpredigt, Matthäus 5:28-29)


"3 Und David sandte hin und ließ nach dem Weibe fragen, und man sagte: Ist das nicht Bath-Seba, die Tochter Eliams, das Weib des Urias, des Hethiters?
4 Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. Und da sie zu ihm hineinkam, schlief er bei ihr. Sie aber reinigte sich von ihrer Unreinigkeit und kehrte wieder zu ihrem Hause."

(2 Samuel 11:3-4)



"21 Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: "Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein."
22 Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha! der ist des Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig."

(Jesus in der Bergpredigt, Matthäus 5:21-22)

"14 Des Morgens schrieb David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Uria.
15 Er schrieb aber also in den Brief: Stellt Uria an den Streit, da er am härtesten ist, und wendet euch hinter ihm ab, daß er erschlagen werde und sterbe."

(2 Samuel 11:14-15)




Braucht man einen solchen König ein zweites Mal?
Ich glaube: Ich jedenfalls nicht.

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SERIE: HELDEN DER BIBEL

>>Teil 4C: "The Fall of the House of David" (David 3/3)

2. Dezember 2011

VARIATIONEN ÜBER EIN THEMA (Der Mythos Jesus Teil 11)




Die vier Evangelien des neuen Testaments erzählen die Lebensgeschichte von Jesus Christus. Allerdings nicht die selbe...




Es ist nicht einfach, etwas über Jesus zu erfahren. Es gibt zwei grobe Herangehensweisen. Entweder man überprüft die Aussagen der Bibel kritisch, woraufhin man feststellt, dass es keine zeitgenössischen Belege für die bloße Existenz eines Jesus Christus gibt.
Oder man kann, was natürlich viel besser ist, einfach alles ungeprüft glauben, weil Gott es ja in der Bibel so geschrieben hat und der war ja live dabei.

Doch auch wenn man die Bibel für einen Tatsachenbericht hält, der nicht überprüft werden muss, ergibt sich noch immer kein eindeutiges Bild über die Figur Christus.
Die Evangelien berichten zum Teil von den selben Ereignissen, oft jedoch in widersprüchlichen Versionen. Auf der anderen Seite werden viele wichtige Stationen aus dem Leben Jesu, von denen einzelne Evangelien schreiben, in den anderen Evangelien nicht einmal erwähnt.

Es gibt ein einziges Wunder, das in allen Evangelien beschrieben wird: Die Speisung der 5000. Das war's: Alle anderen Heldentaten - wie bestimmte Wunderheilungen, Exorzismen, Auferweckungen von Toten und so weiter - fehlen in mindestens einem Evangelium. Und das betrifft durchaus auch bedeutende Details, wie zum Beispiel, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wird. Dies erwähnen Markus und Johannes mit keiner Silbe, obwohl es doch recht außergewöhnlich und berichtenswert zu sein scheint.



WON'T FORGET THESE DAYS?

Ein zentrales Event der Jesus-Show in Markus, Matthäus und Lukas ist die Transfiguration Christi, die "Verklärung". Dabei geht Jesus mit drei Jüngern auf einem Berg, auf dem Jesus plötzlich zu leuchten anfängt, Elia und Moses als Visionen erscheinen und die Stimme Gottes aus dem Himmel schallt. Wenn man erst mal so was erlebt hat, vergisst man das nicht so schnell, sollte man annehmen.


Die Transfiguration Christi, orthodoxe ikonische Darstellung


Im Johannes-Evangelium wird jedoch kein Wort über das Ereignis verloren. Dabei wurde der Text in der kirchlichen Tradition dem Jünger Johannes zugeschrieben, welcher laut den anderen Evangelien einer von nur drei Zeugen der Transfiguration war.

Im Markus-Evangelium wird von einem anderen Wunder berichtet, bei dem Jesus ein junges Mädchen von den Toten zurückholt (Markus 5:21-43). Auch diesmal sind laut Markus wieder die selben drei Leute anwesend - neben seinem Bruder und Petrus ist erneut Johannes der einzige Augenzeuge der Tat.
Und trotzdem: Auch von dieser Sache weiß das Johannes-Evangelium nichts zu berichten - Matthäus und Lukas allerdings auch nicht.
Dafür erzählt das Johannes-Evangelium von der Auferweckung des Lazarus, dem Bruder von Maria Magdalena, vier Tage nach dessen Tod - eine Szene, die exklusiv im Johannes-Evangelium steht (Johannes 11:1-44).

Das Evangelium von Matthäus beinhaltet keine Auferweckung der Toten durch Jesus, während das Lukas-Evangelium als einziges über die Erweckung eines Jünglings in der Stadt Nain schreibt (Lukas 7:11-17).


Die Erweckung der Tochter des Jairus, nur bei Markus


Neben den Erweckungen gibt es noch weitere Jesus-Geschichten, die überhaupt nur in einem einzigen Evangelium zu finden sind. Die Verwandlung von Wasser in Wein gibt es nur im Johannes-Evangelium. Die Flucht von Josef und Maria mit dem Baby-Jesus nach Ägypten, weil König Herodes alle Kleinkinder aus Angst vor Jesus töten lässt, kennt einzig das Matthäus-Evangelium.


Flucht nach Ägypten, nur im Matthäus-Evangelium


Jesus berühmteste Rede, die Bergpredigt, in der er den Schwachen die Welt als Erbe verspricht, kommt ebenfalls nur im Matthäus-Evangelium vor.
Das Vater-Unser fehlt im Johannes- und Markus-Evangelium.

Eines von Jesus berühmtesten Zitaten, in denen er diejenigen, die ohne Sünde sind, auffordert, den ersten Stein auf eine ertappte Ehebrecherin zu werfen, steht einzig und allein im Johannes-Evangelium - zumindest in dem, das in unserer Bibel abgedruckt ist. In den frühesten Manuskripten des Johannes-Evangeliums fehlt die ganze Szene.

Auch die Episode, in der der Jünger Thomas nicht an die Wiederauferstehung glauben will, bis er seine Finger in die Wunden von Jesus legt, fehlt in drei der vier Evangelien.

"24 Thomas aber, der Zwölf einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. 
25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den HERRN gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, daß ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich's nicht glauben. 
26 Und über acht Tage waren abermals seine Jünger drinnen und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein und spricht: Friede sei mit euch! 
27 Darnach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände, und reiche dein Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein HERR und mein Gott! 
29 Spricht Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"

(Johannes 20:24-29)



Caravaggio: Der ungläubige Thomas, exklusiv bei Johannes


Selbst die Himmelfahrt Christ wird nicht in allen Evangelien beschrieben. Johannes, Markus und Matthäus schildern diese nebensächliche Detail nicht.



TODESURSACHE UNGEKLÄRT

Selbst beim zentralen christlichen Ereignis, von dem alle Evangelien schreiben, der Kreuzigung und der Wiederauferstehung, sind die Evangelien sich völlig uneinig, was da denn nun eigentlich passiert sein soll.

Das beginnt schon beim der schlichten Frage, warum genau Jesus überhaupt gekreuzigt wurde. Die Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas begründen die Festnahme von Jesus zum Teil mit einem Vorfall, bei dem Jesus die Stände von Händlern im Tempel von Jerusalem zerdeppert.

"15 Und sie kamen gen Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel, fing an und trieb aus die Verkäufer und Käufer in dem Tempel; und die Tische der Wechsler und die Stühle der Taubenkrämer stieß er um, 
16 und ließ nicht zu, das jemand etwas durch den Tempel trüge. 
17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: "Mein Haus soll heißen ein Bethaus allen Völkern"? Ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht. 
18 Und es kam vor die Schriftgelehrten und Hohenpriester; und sie trachteten, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich aber vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre."

(Markus 11:15-18)


Im Johannes-Evangelium (Johannes 2:13-17) findet dieses Ereignis auch statt - allerdings nicht kurz vor Jesus' Tod, sondern direkt nach seinem ersten Wunder, der Verwandlung von Wasser in Wein.
Anders als alle anderen Evangelien begründet Johannes die Verhaftung von Jesus damit, dass dieser behauptet habe, der Vater und er seien "eins".

"30 Ich und der Vater sind eins.
31 Da hoben die Juden abermals Steine auf, daß sie ihn steinigten.
[...]
37 Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubet mir nicht;
38 tue ich sie aber, glaubet doch den Werken, wollt ihr mir nicht glauben, auf daß ihr erkennet und glaubet, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.
39 Sie suchten abermals ihn zu greifen; aber er entging ihnen aus ihren Händen"

(Johannes 10:30-31,37-39)



Jakob Jordaens: Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel


In Evangelium von Markus, Lukas und Matthäus behauptet Jesus dagegen nicht, mit Gott identisch zu sein. Ganz im Gegenteil: Mehrere Aussagen von Jesus sprechen gegen diese These. So sagt zum Beispiel Christus im Markus-Evangelium über das Ende der Welt:

"32 Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater."

(Markus 13:32)


Das widerspricht der gängigen Dreifaltigkeitslehre, wonach der Sohn nicht der Vater ist, aber der Vater Gott ist und der Sohn auch Gott ist. Wenn Gott jedoch allwissend ist und der Sohn nicht, dann kann der Sohn nicht 100% Gott sein.
Und Jesus behauptet nicht nur, nicht allwissend zu sein, er sei im Gegensatz zum einzigen Gott nicht einmal gut.

"18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott."


(Markus 10:18)




THIS WILL BE THE DAYS THAT I DIE

Nicht nur auf die Frage warum, sondern auch auf die Frage, wann Jesus gekreuzigt wird, geben die Evangelien abweichende Antworten.
Das letzte Abendmahl wird in allen Evangelien am Vortag der Kreuzigung gegessen.
Das Johannes-Evangelium lässt dieses Ereignis aber am Vortag zum Sabbat stattfinden, während die anderen Evangelien berichten, das letzte Abendmahl geschah am Sabbattag. Nach jüdischem Verständnis beginnt ein Tag bei Sonnenuntergang und endet beim nächsten. Der Sabbat ist daher von Freitag Sonnenuntergang bis Samstag Sonnenuntergang - übrigens auch heute noch. Das letzte Abendmahl war daher (außer bei Johannes) an einem Freitag und Jesus wurde (außer bei Johannes) am Samstag gekreuzigt.

Nicht nur beim Tag, sondern auch bei der Uhrzeit gibt es Unstimmigkeiten. So ist auch von unterschiedlichen Tageszeiten die Rede (Markus 15:25 =/= Johannes 19:14-18). [Genaueres dazu in diesem Video]

Tintoretto: Das letzte Abendmahl


Auch über das, was grob bei der Kreuzigung passiert ist, gibt es unterschiedliche Informationen.
Matthäus (27:45) und Markus (15:33) behaupten, dass am Tage der Kreuzigung im ganzen Land während des Tages eine dreistündige Finsternis geherrscht habe. Das Lukas-Evangelium geht noch etwas weiter und redet von einer weltweiten Finsternis (23:44-45).
Das Johannes-Evangelium weiß allerdings nichts von einer mysteriösen Dunkelheit zu berichten.

Das Matthäus-Evangelium erwähnt außerdem ein großes Erdbeben, das während der Kreuzigung stattgefunden haben soll. Es kommt noch dicker: Sogar die Leichen der jüdischen Heiligen sollen aus ihren Gräber gekommen sein und " "vielen" erschienen sein...

"52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, die Gräber taten sich auf, und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, 
53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen."

(Matthäus 27:52-53)






Davon steht in Markus, Lukas und Johannes allerdings nichts. Sollen wir wirklich glauben, dass all diese Autoren das selbe Ereignis nacherzählen - aber vergaßen, die Sache mit den Zombies oder dem Erdbeben zu erzählen oder es für ihre Geschichte nicht relevant fanden?

Wie war es wirklich? Können wir den fantastischen Bericht mit dem Erdbeben und den auferweckten Leichen einfach als falsch abtun? Mit welcher Begründung?
Das Kriterium, dass ein Schilderung von in Jerusalem umherwandelnden jüdischen Zombies generell als unwahr gelten sollte, würde ich persönlich akzeptieren - aber das Prinzip muss man dann auch auf Jesus Christus selbst anwenden.

Oder vielleicht  kann man einfach sagen, drei Evangelien haben einen abweichenden Bericht über die Kreuzigung, also hat Matthäus da wahrscheinlich ein paar Details erwähnt, die nicht hundertprozentig der Wahrheit entsprechen. Anderseits behaupten Lukas, Markus und Johannes auch niemals eindeutig, es habe an diesem Tag kein Erdbeben und Zombies in der Stadt gegeben...






MEHR LICHT

Von vielen berühmten Menschen sind letzte Worte überliefert, die allerdings oft erfunden sind. Von Jesus dagegen gibt es direkt mehrere Zitate, die die letzten Worte vor seinem Tod am Kreuz gewesen sein sollen.

"46 Und Jesus rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt, verschied er."

(Lukas 23:46)



Diese Abschiedsworte kann man als letzten Beweis von Jesus' unerschütterlichen Vertrauen auf Gott verstehen. Im direkten Kontrast dazu stehen die letzten Worte Jesu im Matthäus-Evangelium, dort sagt er:

"46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli, lama asabthani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? [...] 
50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied."

(Matthäus 27:46,50)



Das ist ein Zitat aus einem Psalm (22:2) und auch Jesus' letzte Worte im Markus-Evangelium - außer dass dort Gott statt mit "Eli" mit "Eloi" bezeichnet wird


Tintoretto: Kreuzigung


Im Johannes-Evangelium sind die letzten Worte Christi ein wenig trivial: Das Skript ist abgearbeitet, jetzt ist Feierabend.

"28 Darnach, da Jesus wußte, daß schon alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllt würde, spricht er: Mich dürstet!
29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Isop und hielten es ihm dar zum Munde.
30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied."

(Johannes 19:28-30)



Später erinnert sich Jesus, dass ja doch noch nicht die ganze Schrift erfüllt wurde, weil die Schrift ja auch seine Wiederkehr von den Toten nach drei Tagen vorhersagt.

"31 Und er hob an sie zu lehren: Des Menschen Sohn muß viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und über drei Tage auferstehen"

(Markus 8:31)


So ganz genau wird das mit den drei Tagen dann allerdings auch nicht gehandhabt. In allen vier Evangelien wird das leere Grab von Jesus am ersten Tag der Woche morgens gefunden. Der erste Tag im jüdischen Kalender dauert von Samstagabend bis Sonntagabend. Jesus war also am Sonntagmorgen bereits nicht mehr in seinem Grab.
Also ist Jesus im Johannes-Evangelium, in dem er Freitag mittags gekreuzigt wird, ungefähr 1,5 Tage im Grab und bei Markus, Matthäus und Lukas sogar nur knapp einen einzigen Tag.



ALL THIS HAPPENED, MORE OR LESS

Selbst wenn man die Bibel komplett als Wahrheit anerkennt, ist es schwer zu sagen, was am Tage der Auferstehung Christi geschehen ist.
Oder vielleicht gerade dann. Denn alle vier Evangelien erzählen verschiedene Geschichten darüber.

Das früheste Evangelium war das Markus-Evangelium. Nicht aber in der Form, in der es in unserer Bibel steht. Die ersten vollständigen Manuskripte des Textes aus dem 2. Jahrhundert enden allesamt damit, dass Jesus Auferstehung nur verkündet wird, aber niemand etwas davon erfährt.

"1 Und da der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, des Jakobus Mutter, und Salome Spezerei, auf daß sie kämen und salbten ihn.
2 Und sie kamen zum Grabe am ersten Tag der Woche sehr früh, da die Sonne aufging.
3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4 Und sie sahen dahin und wurden gewahr, daß der Stein abgewälzt war; denn er war sehr groß.
5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Kleid an; und sie entsetzten sich.
6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten; er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, da sie ihn hinlegten!
7 Gehet aber hin und sagt's seinen Jüngern und Petrus, daß er vor euch hingehen wird nach Galiläa, da werdet ihr ihn sehen, wie er gesagt hat.
8 Und sie gingen schnell heraus und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen. Und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich."

(Markus 16:1-8 Ursprüngliches Ende)



Wir merken uns: Drei Frauen kommen zu Jesu Grab. Der Stein ist weggerollt, ein mysteriöser junger Mann in Weiß verkündet den Frauen die Auferstehung. Die Frauen erzählen allerdings niemandem davon.
Bei Lukas ist alles schon eine Nummer größer. Statt drei Frauen finden mindestens fünf Frauen das leere Grab. Zwei junge Männer in Weiß verkünden die Auferstehung. Die Frauen erzählen es den "Elfen" weitern, den 12 Jüngern minus Judas.

"1 Aber am ersten Tage der Woche sehr früh kamen sie zum Grabe und trugen die Spezerei, die sie bereitet hatten, und etliche mit ihnen.
2 Sie fanden aber den Stein abgewälzt von dem Grabe
3 und gingen hinein und fanden den Leib des HERRN Jesu nicht.
4 Und da sie darum bekümmert waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer mit glänzenden Kleidern.
5 Und sie erschraken und schlugen ihre Angesichter nieder zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten?
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Gedenket daran, wie er euch sagte, da er noch in Galiläa war
7 und sprach: Des Menschen Sohn muß überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen.
8 Und sie gedachten an seine Worte.
9 Und sie gingen wieder vom Grabe und verkündigten das alles den Elfen und den andern allen.
10 Es war aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und andere mit ihnen, die solches den Aposteln sagten."

(Lukas 24:1-10)



Matthäus reduziert die Anzahl der Frauen wieder auf zwei. Die beiden Marias finden bei ihm allerdings kein offenes Grab. Begleitet von einem Erdbeben erscheint ihnen dort ein Engel mit einer Gestalt wie ein Blitz und öffnet die Höhle.
So so...

"1 Als aber der Sabbat um war und der erste Tag der Woche anbrach, kam Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu besehen.
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des HERRN kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich darauf.
3 Und seine Gestalt war wie der Blitz und sein Kleid weiß wie Schnee.
4 Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.
5 Aber der Engel antwortete und sprach zu den Weibern: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, da der HERR gelegen hat.
7 Und gehet eilend hin und sagt es seinen Jüngern, daß er auferstanden sei von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt."

(Matthäus 28:1-7)



Gustav Doré, Auferstehungsgeschichte nach Matthäus


Das hat mit dem frühesten Bericht von Markus nicht mehr viel zu tun. Aus dem Jüngling im weißen Kleid in Markus wurden in Lukas zwei Jünglinge im weißen Kleid und in Matthäus sogar ein Engel - wie kann man das noch übertrumpfen?
Ganz einfach: Mit zwei Engeln!

"11 Maria aber stand vor dem Grabe und weinte draußen. Als sie nun weinte, guckte sie ins Grab
12 und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu den Häupten und eine zu den Füßen, da sie den Leichnam hin gelegt hatten.
13 Und diese sprachen zu ihr: Weib, was weinest du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hin gelegt haben."

(Johannes 20:11-13)





PETER, PAUL AND MARYS

Auch der weitere Verlauf des Auferstehungstages ist verwirrend, glaubt man allen Evangelien gleichermaßen. Im Lukas-Evangelium erscheint Jesus zunächst einer Gruppe von Männern um einen "Kleophas" in einer kleinen Stadt namens Emmäus. (Lukas 24)
In Johannes sieht Maria als erstes den Wiederauferstandenen, den sie allerdings zunächst für einen Gärtner hält (Johannes 20:15).

Im Originalende von Markus erscheint Jesus gar nicht, im später hinzugefügten Schluss jedoch wie bei Johannes der Maria Magdalena, allerdings ohne die Verwechslungsgeschichte mit dem Gärtner (Markus 16).

Bei Matthäus haben Maria Magdalena und die "andere" Maria das Privileg, die ersten sein zu dürfen, die Jesus nach seinem Tode wiedersehen (Matthäus 28:9). Sie erkennen Jesus aber sofort und fallen vor ihm auf die Füße.

In allen Evangelien erscheint Jesus später noch seinen Jüngern, außer in der Original-Version von Markus. Im heutigen Ende von Markus, sowie im Johannes- und Lukas-Evangelium, findet diese Wiedervereinigung in einem Haus in Jerusalem statt (Markus 16:14, Lukas 24:37, Johannes 20:19). Nicht so allerdings im Matthäus-Evangelium, dort findet die Begegnung auf einem Berg statt - und zwar in Galiläa, was in einem anderen Teil des Landes als Jerusalem liegt (Matthäus 28:16).

Nun besteht das neue Testament ja nicht nur aus den vier Evangelien.
In seinen Briefen schreibt Paulus zwar nicht von Jesu Leben - keines seiner Wunder und keine seiner berühmten Predigten werden erwähnt - über seinen Tod und die Auferstehung erfahren wir jedoch auch von Paulus. Das macht die Sache nicht unbedingt klarer...

"3 Denn ich habe euch zuvörderst gegeben, was ich empfangen habe: daß Christus gestorben sei für unsre Sünden nach der Schrift,
4 und daß er begraben sei, und daß er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift,
5 und daß er gesehen worden ist von Kephas, darnach von den Zwölfen."

(1 Korinther 15:3-5)


Auch hier gibt es das kleine Problem der Überpünktlichkeit von Jesus bei der Auferstehung, weil Christus ja laut den vier Evangelien nicht erst nach drei Tagen aufersteht, sondern spätestens der Hälfte der Zeit.

Laut Paulus ist es weder Maria Magdalena, noch ein Kleophas aus Emmäus, sondern  Kephas, dem Jesus dann zuerst erscheint. "Kephas" ist aramäisch für "Fels" und ist der Spitzname von Jesus' Jünger Simon. Paulus bezeichnet ihn als "Kephas", in den Evangelien gibt ihm Jesus den griechischen Beinamen "Petros", was ebenfalls Fells bedeutet. Wir kennen diesen jungen Gentleman am besten unter der lateinischen Form seines Namens, Petrus. Der ist in den Evangelien aber eindeutig einer von Jesus zwölf Jüngern.
Bei Paulus erscheint Jesus allerdings Petrus und dann den "Zwölfen" - was  seltsam ist, da ja einer der zwölf Jünger, Judas Iskariot, Jesus zuvor verraten hatte und deswegen Selbstmord begangen hat (Matthäus 27:5) und daher eigentlich ohne Petrus nur zehn Jünger einsatzbereit waren.



ALL THE KING'S HORSES AND ALL THE KING'S MEN

In dem Buch der Apostelgeschichte, das traditionellerweise dem Autor des Lukas-Evangeliums zugeschrieben wird, stirbt Judas ebenfalls - allerdings nicht durch Suizid, sondern auf eine andere, recht außergewöhnliche Weise: Durch akuten Organausfall...

"15 Und in den Tagen trat auf Petrus unter die Jünger und sprach (es war aber eine Schar zuhauf bei hundertundzwanzig Namen):
16 Ihr Männer und Brüder, es mußte die Schrift erfüllet werden, welche zuvor gesagt hat der Heilige Geist durch den Mund Davids von Judas, der ein Führer war derer, die Jesus fingen;
17 denn er war zu uns gezählt und hatte dies Amt mit uns überkommen.
18 Dieser hat erworben den Acker um den ungerechten Lohn und ist abgestürzt und mitten entzweigeborsten, und all sein Eingeweide ausgeschüttet."

(Apostelgeschichte 1:15-18)


In der Apostelgeschichte wird außerdem erwähnt, dass ein Mann namens Matthias den Job von Judas übernimmt, so dass das Dutzend wieder voll ist - allerdings inklusive Petrus und unmissverständlich erst nach Jesu' Himmelfahrt (Apostelgeschichte 1:26). Die Diskrepanz bei der Anzahl von Jüngern kann so nicht erklärt werden.

Es existiert nicht einmal eine Liste mit den Namen der 12 Apostel, die einstimmig von allen Evangelien vertreten wird. Zählt man alle Jünger zusammen, die namentlich in den Evangelien erwähnt werden, ist die Zahl größer als Zwölf. Was nun? Theologen haben die wunderbare Erklärung dafür gefunden: Manche sollen halt direkt zwei Namen gehabt haben.


Die zwei Tode des Judas: Durch Erhängen und Ausschüttung der Eingeweide



DIE ZEUGEN JEHOVAS

Vom Leben Christi gibt es vier Berichte, die nach traditionellem Verständnis auf Zeugenaussagen beruhen. Hören wir uns nun in einem imaginären Gerichtsverfahren doch mal die Aussagen dieser Zeugen mit offenem Ohr an...

LUKAS: "Also, Leute: Um herausfinden, ob wir auch alle von den gleichen Jesus schreiben, sollten wir mal unsere Berichte vergleichen."

JOHANNES: "Gut. Womit fangen wir an. Die Hochzeit von Kanaa?

LUKAS: "Die was?"

JOHANNES: "Na, das erste Wunder von Jesus. Wo er Wasser in Wein verwandelt!"

MATTHÄUS: "Davon hätte ich aber gehört..."

LUKAS: "Fangen wir doch beim Verrat durch Judas an. Wie Judas unseren Herrn mit einem Kuss verraten hat und unserer Herr deswegen gekreuzigt wurde."

JOHANNES: "Wie, die haben sich geküsst? So richtig mit Zunge?!"

MATTHÄUS: "Du hast nichts vom Kuss des Judas?!"

JOHANNES: "Nö."

LUKAS: "Wie wär's mit der Auferstehung?"

ORIGINAL-MARKUS: "Alles klar. Also das war so: Einige Frauen wollten das Grab von Jesus besuchen. Aber Jesus war nicht mehr da! Oh weh! Stattdessen nur ein Jüngling in weiß."

LUKAS: "Zwei Jünglinge!"

MATTHÄUS: "Nee, da war doch ein Engel in Blitzgestalt."

JOHANNES (triumphierend): "Doppel-Engel!"

MARKUS: "Echt? Sicher? Na ja... Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, wer alles das Grab entdeckt hat. Ich hab: Maria Magdalena, die andere Maria und Salome."

LUKAS: "Maria und Maria hab ich auch, außerdem Johanna und weitere Frauen..."

JOHANNES: "Ich hab nur eine Maria..."

MATTHÄUS: "Doppel-Maria!"

LUKAS: "Und dann ist der Jesus ja den Menschen erschienen!"

MATTHÄUS: "Ebend! Noch mehr historische Fakten."

ORIGINAL-MARKUS: "Bei mir steht davon nichts..."

LUKAS: "Doch, doch. Der ist dem Kleophas erschienen in Emmaus."

JOHANNES (verwirrt): "Dem wo in was?"

LUKAS: "Dem Kleophas! Und der hat ihn zuerst nicht erkannt. Bekannte Geschichte, kann man in meinem Buch nachlesen."

JOHANNES: "Nein, der ist doch der Maria  erschienen und die hat ihn nicht erkannt."

LUKAS: "Wieso? Die weiß doch, wie der aussieht?!"

JOHANNES: "Sie hat halt gedacht, er ist der Gärtner."

MATTHÄUS: "So ein Schmarr'n, was ihr erzählt. Christus ist Maria und der anderen Maria erschienen, auf dem Weg zu den Jüngern. Und sie sind sofort vor ihm auf die Füße gefallen, als sie ihn gesehen haben. So war das in Wirklichkeit! Ich schwöre!"

MARKUS "Ich glaub, ich übernehme die Version von Johannes, wo Jesus nur Maria erscheint. Ist irgendwie am elegantesten. Aber das mit dem Verwechseln und dem Gärtner lass ich weg."

JOHANNES (schmollt): "Das ist das Beste an der ganzen Geschichte!"

LUKAS: "Und lasst uns nicht vergessen, dass Jesus selbst Menschen vom Tode erweckt hat!"

MATTHÄUS (blättert in seinem Buch): "Wovon redest du?.."

JOHANNES: "Natürlich den Lazarus, den Bruder von Maria Magdalena, du Doofkopf!"

MARKUS: "Quatsch! Das war ein junges Mädchen, die Tochter des Jairus."

LUKAS: "Nein, ein kleiner Junge war das! Ich bekomm' langsam das Gefühl, dass ihr keine Ahnung habt!.."

MATTHÄUS (zu LUKAS): "Das sagt der Richtige! Ich hab mal deinen Text gelesen, du hast ja nicht mal die Szene von Jesus, wie der über das Wasser läuft."

JOHANNES: "Und ihr habt alle nicht drin, wie Jesus Wasser in Wein verwandelt. Das ist doch wohl mal cool."

MATTHÄUS (zu JOHANNES und LUKAS): "Dafür habt ihr nicht die Verfluchung des Feigenbaums. Das ist beste Jesus-Geschichte von allen!"

MARKUS (nickt zustimmend): "Dann sind wir uns ja mal endlich einig."



DIE WEIHNACHTSGESCHICHTEN

Was ist das markanteste Merkmal von Jesus, an das die meisten Menschen denken, wenn sie an Christus denken? Hätten wir nur die Evangelien von Markus und Johannes, würde die Antwort zumindest nicht heißen: Geboren durch eine Jungfrau.
Denn von der Jungfrauengeburt berichten nur Matthäus und Lukas. Allerdings erzählen die beiden Evangelien darüber sehr verschiedene Geschichten.

Die berühmte Weihnachtsgeschichte, die wir kennen, ist eine Mischung aus Story-Elementen, die zumeist jeweils nur in einem der beiden Texte zu finden sind (Matthäus 1 & 2, Lukas 1 & 2)

Im Matthäus-Evangelium kündigt ein Engel dem Josef im Traum die Geburt Jesu an, im Lukas-Evangelium dagegen hat Josef keine Vision, sondern Maria wird im Wach-Zustand von einem Engel besucht.


Gaetano Gandolfi: Josefs magische Träume, nur im Matthäus-Evangelium


Von einer Volkszählung, bei dem jeder Mann mit seiner Familie an seinen Heimatort reisen muss, berichtet allein das Lukas-Evangelium, in Matthäus findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass die Jesus-Familie in Bethlehem zu Gast ist und nicht dort wohnt.

Weiter erzählt das Matthäus-Evangelium von den Weisen aus dem Morgenland, die - weil sie drei Geschenke bringen: Weihrauch, Myrrhe und Gold - später zu den "drei" Weisen aus dem Morgenland und oft sogar zu "drei Königen" uminterpretiert werden.
Der König Herodes kriegt Wind von der Sache mit den Weisen, die einem Stern nach Bethlehem zu Jesus folgen und ihn anbeten. Nicht in einer Krippe allerdings, da ja wie bereits erwähnt die volle Herberge und die Geburt in einem Stall nur im Lukas-Evangelium erwähnt werden. König Herodes recherchiert ein wenig und erfährt von der Geburt eines großen Mannes. Damit dieser ihm nicht irgendwann gefährlich werden kann, lässt er alle Kleinkinder im Land ermorden. Josef flieht daher mit seiner Familie nach Ägypten, nachdem ihm Gott im Traum dazu auffordert.

Nicht so bei Lukas. Dort fehlt der Stern über Bethlehem. Entgegen populärer Meinung zeigt der Stern über Bethlehem in der Bibel also nirgendwo jemandem den Weg, um ihn zur Krippe hinzuführen und ihm zu zeigen, wo sie steht.
Außerdem enthält das Lukas-Evangelium nicht die Träume Josefs, die Weisen aus dem Morgenland, die Verfolgung und das Kindermassaker durch den König Herodes, die Flucht nach Ägypten, etc.


Leonardo da Vinci: Ein Engel sagt Maria die Geburt Jesu voraus, nur bei Lukas


Dafür hat Lukas auch was, das Matthäus nicht hat: Ein Engel erscheint Maria, die berühmte Volkszählung und der Stall der Herberge, Schäfer in der Nähe des Stalls, in dem Jesus geboren wird, die von einem Engel von der Geburt des Heilands erfahren und ihn anbeten. Im Tempel wird Jesus von zwei Propheten sein zukünftiges Leben als Messias vorhergesagt.
Über all das schweigen jedoch die anderen drei Evangelien.

Zudem geben Lukas und Matthäus auch Jesus' Stammbäume an - jedoch zwei ziemlich verschiedene, die sich schon beim Namen von Josefs Vater widersprechen ("Jakob" in Matthäus 1 und "Eli" in Lukas 3).



VERSTRICKT

Also wie war das nun wirklich? Hören wir doch einmal unsere biblischen Zeugen zu dem Thema an.

MARKUS: "Die Geburt von Jesus? War da irgendwas?"

LUKAS:"Na, zunächst wurde doch die Geburt Jesu von einer Jungfrau prophezeit, durch einen Engel."

MATTHÄUS: "Genau. Ein Engel ist dem Josef im Traum erschienen und hat ihm verkündet, dass die Prophezeiung erfüllt werde, dass eine Jungfrau ein Kind kriegen wird, das Immanuel genannt wird."

LUKAS:  "Immanuel?! Ich dachte, er heißt Jesus? Bei mir erscheint der Engel der Maria."

MARKUS: "Bei mir heißt der auch Jesus."

JOHANNES: "Ich weiß echt nicht, worüber ihr redet. Von Jungfrau-Geburt hab ich nichts, ich glaub, da würde ich mich daran erinnern..."

MATTHÄUS: "Na klar, wie an die Transfiguration."

JOHANNES:"Tranfiguwas?"

LUKAS: "Na, wo Moses und Elia erschienen sind und die Stimme Gottes."

JOHANNES:"Wann war das?"

MATTHÄUS: "Sechs Tage nach dem Jesus seinen Tod vorausgesagt hat."

LUKAS: "Acht!"

MARKUS: "Sechs!"

JOHANNES:"Und wer war dabei?"

MARKUS: "Du! Und dein Bruder und Petrus."

JOHANNES:"Warum weiß ich davon nichts?"

MARKUS: "Ich glaube, du bist ein Betrüger!"

LUKAS: "Das mit dem Teufel in der Wüste hat er auch nicht."

JOHANNES (wütend): "Alte Petze! Dafür hab ich einen Teufel in der Hose. Kannst ja mal deine Mutter fragen!"

MATTHÄUS: "Also, bitte, Leute. Das wird mir zu unprofessionell."

LUKAS: "Vielleicht sollten wir zur Beruhigung etwas beten. Und wie wir aus der Heiligen Schrift wissen, möchte Jesus, dass wir das Vater-Unser beten."

MARKUS (mit erhobenem Mittelfinger): "Ich bin raus."

JOHANNES: "Vater-unser hab ich auch nicht."

MATTHÄUS: "Okay, um herauszufinden, wer die wahre Geschichte kennt, sagen wir jetzt alle die berühmten letzten Worte unseres Herrn auf."

LUKAS: "Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! "

MATTHÄUS: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen."

JOHANNES: "Das soll Jesus gesagt haben?"

MATTHÄUS: "Was hast du denn da stehen?"

JOHANNES: "Es ist vollbracht!"

MATTHÄUS: "Das ist aber sowas von oberlahm..."

JOHANNES: "Und deins ist besser?"

MATTHÄUS: "Immerhin hab ich Erdbeben, totale Finsternis und Zombies in der Story und ihr nicht! Also leckt mich am Arsch, ich geh nach Hause."



CATCH-22

Ob wir glauben, die Evangelien erzählen die Wahrheit oder nicht, das Ergebnis ist das selbe. Man findet keine sicheren Angaben über Jesus Christus. Glaubt man an einen historischen Jesus Christus, gab es den ja wohl nur einmal und sein Leben ist auf eine bestimmte Weise abgelaufen. Wir besitzen jedoch vier Versionen einer Lebensgeschichte, die sich widersprechen und daher mindestens zum Teil nicht der Wahrheit entsprechen.

Es gibt kein rationales Kriterium, mit dem man einen Bericht des einen Evangeliums als definitiv korrekter als die des anderen zu erkennen. Der Autor des Lukas-Evangeliums versucht zu Beginn seines Textes damit zu überzeugen, dass er mit seiner umfangreichen Recherchearbeit prahlt.

"1 Sintemal sich's viele unterwunden haben, Bericht zu geben von den Geschichten, so unter uns ergangen sind, 
2 wie uns das gegeben haben, die es von Anfang selbst gesehen und Diener des Worts gewesen sind: 
3 habe ich's auch für gut angesehen, nachdem ich's alles von Anbeginn mit Fleiß erkundet habe, daß ich's dir, mein guter Theophilus, in Ordnung schriebe"

(Lukas 1:1-3)


Jedoch hätte er bei seinen Nachforschungen eigentlich herausfinden können, dass der jüdische König Herodes schon seit mehreren Jahren tot war, als Quirinius Statthalter wurde. Dennoch nennt er zur Bestimmung von Jesus' Geburtsdatum die zwei Eckdaten, dass es während der Herrschaft von Herodes und Quirinius geschehen sei.

Der arme Johannes dagegen hat lauter tolle Jesus-Stories aus erster Hand und nicht genug Papier. So jedenfalls schließt er sein Evangelium mit der Aussage, man könne noch viel mehr über Jesus berichten, wenn der Tag lang ist.

"24 Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und dies geschrieben hat; und wir wissen, daß sein Zeugnis wahrhaftig ist. 
25 Es sind auch viele andere Dinge, die Jesus getan hat; so sie aber sollten eins nach dem andern geschrieben werden, achte ich, die Welt würde die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären."

(Johannes 21:24-25)


Johannes war also live dabei, hat aber nicht alles erzählt, weil es sonst den Rahmen gesprengt hätte. Dabei ist zum Beispiel das Matthäus-Evangelium bedeutend länger: Es enthält circa 25% mehr Wörter, das Lukas-Evangelium sogar knapp 40%.
Trotzdem war Platzmangel angeblich der Grund, warum Johannes unbedeutende Dinge weggelassen hat wie die Geburt durch eine Jungfrau, die Bergpredigt, die Versuchung durch den Teufel, die Transfiguration, die Erweckung von toten Kindern, das Vater-Unser, den Judas-Kuss, die körperliche Himmelfahrt, das Erdbeben und die dreistündige Finsternis bei der Kreuzigung, inklusive Zombie-Invasion, nicht zu vergessen, und so weiter und so fort.


Martin de Vos, Jesus verwandelt Wasser in Wein, allerdings nur bei Johannes


Dafür hat er den Platz sinnvoll genutzt und erzählt zum Beispiel, wie Jesus Wasser in Wein verwandelt. Wen interessiert schon die blöde Bergpredigt? Viel wichtiger für Jesus Anhänger ist es doch zu wissen, dass er für kostenlose alkoholische Getränke sorgen kann.



DER PROZESS

Machen wir doch noch ein weiteres Gedankenexperiment: Wir befinden uns in einer Gerichtsverhandlung, in dem ein Mann angeklagt ist, seine Ehefrau ermordet zu haben.
Zwar wurde keine Leiche oder sonstige Beweise gefunden, aber es gibt vier Augenzeugenberichte. Der erste Zeuge will gesehen haben, wie der Beschuldigte am 12.12. um 13h seine Frau mit einem schwarzen Mercedes-Kombi überfahren hat. Der zweite Zeuge berichtet, wie der Angeklagte am Tag zuvor seine Frau mit einer Schrotflinte erschießt, der dritte spricht von einem Giftmord an einem lauen Juliabend durch eine vergiftete Schinken-Broccoli-Pizza und der vierte Zeuge ist sich sicher, dass der Mann seine Frau mit einer Machete geköpft hat, um dann auf der schneebedeckten Straße mit ihrem Kopf in der Hand einen rituellen afrikanischen Freudentanz aufzuführen.

Der Richter spricht das Urteil: Der Mann wird wegen Mordes verurteilt, da er - wie wir durch Zeugenaussagen wissen - seine Frau zuerst vergiftet hat, sie dann im Todeskampf erschossen, geköpft und schließlich, um sicher zu gehen, mit seinem Auto überfahren hat.
Wäre das ein faires, vernünftig begründetes Urteil?



Normalerweise gehen wir bei einer Schilderung eines Ereignisses davon aus, dass es sich auf eine bestimmte Art zugetragen hat. Haben wir verschiedene Aussagen mit widersprüchlichen Details darüber, folgern wir daraus, dass entweder alle Zeugen sich irren oder lügen oder aber nur ein Teil davon. Nicht aber, dass alle Zeugen die Wahrheit sagen.

Dieses Prinzip sollte man auch anwenden, wenn man sich die Christus-Saga anschaut.
Dass Jesus mehrere Male gekreuzigt wurde, an zwei verschiedenen Tagen, glaubt so gut wie niemand. Doch wenn man alle Berichte der Bibel kombiniert und keine Information als "falsch" bewertet, dann wäre es so gewesen.
Drei Tage später hätte Maria, einmal ganz allein und dann auch mit diversen anderen Frauen mehrere Male das offene Grab Jesus gefunden. Einmal war darin ein Jüngling, einmal zwei Jünglinge und dann sogar zwei Engel. Einmal kam Maria auch an das verschlossene Grab und ein Engel nahm dort gerade den schweren Stein weg.
Sie erzählt verschiedenen Leuten davon, erwähnt aber niemals, dass sie die ganze Sache viermal in unterschiedlichen Varianten erlebt hat, sondern jeweils nur eine Version der Geschichte.
So wird es wohl gewesen sein.



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SERIE: "DER MYTHOS JESUS"