25. Juli 2014

PROPAGANDA-FAKTENCHECK: Die Zeugen Jehovas 3 - Gott, warum bist du so ein Arschloch?


Wie fast alle Christen verehren die Zeugen Jehovas an einen allmächtigen, allwissenden Gott, der uns Menschen erschaffen hat und uns wohlgesonnen ist: "Gott ist Liebe" heißt es im neuen Testament. 
Klingt eigentlich echt knorke! Doch wenn ein solcher Gott das Universum regiert, warum gibt es so viel Schlechtes in der Welt? 
WTF, Jehova?

Diese Frage ist älter als das Christentum -- die bekannteste Formulierung geht auf den griechischen Philosophen Epikur zurück -- und jede Religion, die erwartet, dass man sie ernst nimmt, sollte eine Antwort auf diese Frage haben. So sahen es offenbar auch die Zeugen Jehovas, die in ihrer Broschüre "Was lehrt die Bibel wirklich" dieses Thema im Kapitel "Warum lässt Gott Leid zu?" behandeln [hier online lesbar].


“Injustice upon earth renders the justice of of heaven impossible.” 
― Robert G. Ingersoll







Aus der Broschüre:
"Warum lässt Gott Leid zu? Wenn Jehova Gott allmächtig, liebevoll, weise und gerecht ist, weshalb gibt es dann so viel Hass und Ungerechtigkeit auf der Welt?"

Zu Beginn der Kapitels wird die eigentliche Frage "Warum lässt Gott Leid zu" noch einmal wiederholt, aber schon im nächsten Satz wird diese Frage umgewandelt in: "Warum leiden Menschen?". Die zweite Frage hat aber mit der ersten aber nicht identisch.
Stellt euch mal folgendes Szenario vor: Ein Wissenschaftler hat ein Heilmittel gegen Krebs entwickelt. Er besitzt einen Koffer voll Tabletten, von denen eine einzige bereits ausreicht, um die Krankheit endgültig zu besiegen. Nun besucht der Wissenschaftler jeden Tag die Kinder-Krebs-Station und beobachtet, wie die Patienten der Reihe nach wegsterben. Er hätte die Möglichkeit, den armen Seelen eine seiner Tabletten zu schenken oder zu verkaufen, doch er entschließt sich bewusst, den Medikamenten-Koffer ungeöffnet mit ins Grab zu nehmen.
Warum müssen die Kinder in diesem Gedankenexperiment sterben? Nun, weil sie Krebs haben. Der Wissenschaftler ist nicht dafür verantwortlich, dass sie diese Krankheit bekommen haben. Aber er ist moralisch sehr wohl dafür verantwortlich, dass er sie nicht geheilt hat, obwohl es in seiner Macht stand.

Dasselbe gilt für einen allmächtigen Gott, wenn es einen geben würde: Auch wenn menschliches Leid nicht vom lieben Gott persönlich verursacht würde, bliebe dennoch die Frage, warum er es nicht verhindert. Diese Frage, so viel sei schon mal verraten, wird in der gesamten Propaganda-Broschüre nicht wirklich befriedigend beantwortet. Ein Schock, ich weiß.



DOPPEL-STANDARD HÄLT BESSER

Aus der Broschüre:
"Vielen wird gesagt, Gottes Wege seien unerforschlich und er lasse Erwachsene, ja sogar Kinder sterben, um sie zu sich in den Himmel  zu holen. Wir wissen aber nun, dass Jehova Gott nichts Böses verursacht. Die Bibel sagt: „Fern sei es von dem wahren Gott, böse zu handeln, und vom Allmächtigen, unrecht zu handeln!“ (Hiob 34:10)."

Oft werfen viele Christen jeglichen Kritikern prinzipiell vor, dass sie Bibelzitate aus dem Kontext reißen und damit ihre Bedeutung verzerren. Außer natürlich, wenn die Zitate ihre vorgefertigte Meinung bestätigen -- dann haben sie mit derselben Strategie meist kein Problem, wie diese Stelle sehr schön zeigt.
Es klingt nämlich sehr stark danach, als ob es die allgemeine Lehrmeinung der Bibel sei, dass Böses und Ungerechtes nicht von Gott stammen würde. Liest man die angegebene Bibelstelle allerdings im Kontext des Buches Hiob, stellt man fest, dass es sich um ein Zitat von einem von Hiobs Freunden handelt, nicht von Jehova.
Später im Text erscheint Gott jedoch persönlich und stellt ziemlich unmissverständlich klar, dass Hiobs Kumpel Scheiße über ihn labern ...

"Da nun der HERR mit Hiob diese Worte geredet hatte, sprach er zu Eliphas von Theman: Mein Zorn ist ergrimmt über dich und deine zwei Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob."
(Hiob 42)



Aber lassen wir uns nicht von den Ablenkungsmanövern der Zeugen irritieren. Die Frage, ob Gott Böses tut, ist irrelevant. Es geht darum, ob Jehova Leiden verursacht, was er in der Bibel unbezweifelbar tut. Nehmen wir nur eines seiner zahlreichen Massaker: Die Ermordung aller Erstgeborenen in Ägypten.

"Und Mose sprach: So sagt der HERR: Ich will zu Mitternacht ausgehen in Ägyptenland; und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, von dem ersten Sohn Pharaos an, der auf seinem Stuhl sitzt, bis an den ersten Sohn der Magd, die hinter der Mühle ist, und alle Erstgeburt unter dem Vieh; und wird ein großes Geschrei sein in ganz Ägyptenland, desgleichen nie gewesen ist noch werden wird; [...]
Da stand Pharao auf und alle seine Knechte in derselben Nacht und alle Ägypter, und ward ein großes Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, darin nicht ein Toter war."

(Exodus 11:4-6; 12:30)

Es ist ekelerregend, dass viele Leute diese Story als Wahrheit anerkennen und Gott trotz Massenmord als "gut" bezeichnen. Aber zu sagen, seine Handlungen hätten für keinen Menschen Leid bedeutet, widerspricht einfach allem, was in der Bibel über Gott gesagt wird.

"Wo du nicht wirst halten, daß du tust alle Worte dieses Gesetzes, die in diesem Buch geschrieben sind, daß du fürchtest diesen herrlichen und schrecklichen Namen, den HERRN, deinen Gott, so wird der HERR erschrecklich mit dir umgehen, mit Plagen auf dich und deinen Samen, mit großen und langwierigen Plagen, mit bösen und langwierigen Krankheiten, und wird dir zuwenden alle Seuchen Ägyptens, davor du dich fürchtest, und sie werden dir anhangen; dazu alle Krankheiten und alle Plagen, die nicht geschrieben sind in dem Buch dieses Gesetzes, wird der HERR über dich kommen lassen, bis du vertilgt werdest. 
Und wird euer ein geringer Haufe übrigbleiben, die ihr zuvor gewesen seid wie Sterne am Himmel nach der Menge, darum daß du nicht gehorcht hast der Stimme des HERRN, deines Gottes.
Und wie sich der HERR über euch zuvor freute, daß er euch Gutes täte und mehrte euch, also wird er sich über euch freuen, daß er euch umbringe und vertilge; und werdet verstört werden von dem Lande, in das du jetzt einziehst, es einzunehmen."
(Deuteronomium 28:58-63)




IN TEUFELS KÜCHE

Aus der Broschüre:
"Haben wir schon einmal darüber nachgedacht, warum oft fälschlicherweise Gott die Schuld für all das Leid auf der Welt gegeben wird? Viele tun das, weil sie glauben, Gott, der Allmächtige, sei der Herrscher dieser Welt. Wer so denkt, übersieht eine einfache und doch sehr wichtige biblische Lehre, die wir in Kapitel 3 kennen gelernt haben: Der Herrscher der Welt von heute ist in Wirklichkeit Satan, der Teufel."

Nehmen wir mal an, dass man die Bibel ungeprüft als fehlerfreie Informationsquelle von absoluter Wahrheit akzeptieren sollte (man sollte nicht) und dass die Bibel eindeutig lehrt, dass Satan der "Herrscher der Welt" ist (sie tut es nicht*) -- dann stellt sich noch immer die Frage, warum Gott Leid zulässt. Warum lässt Gott Satan die Welt regieren? Er wird immer wieder als allmächtig beschrieben, was logischerweise heißt, dass nichts im Universum gegen seinen Willen passiert. Wenn Gott auch nur das geringste Problem damit hätte, dass der Teufel König der Erde ist, könnte ihn nichts in der Welt davon abhalten, diese Tatsache zu ändern.
Eine sehr einfache Methode dafür wäre beispielsweise, bei der Erschaffung des Universums darauf zu verzichten, auch einen Satan zu erschaffen.

Die Hauptfrage des Kapitels "Warum lässt Gott Leid zu?" wird durch diese Antwort nicht geklärt, sondern nur verschoben auf "Warum lässt Gott Satan zu?". Diese Frage bleibt, nicht wirklich überraschend, unadressiert.


*=
-- "HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!" (Psalm 8:10)
-- "Er ist der HERR, unser Gott; er richtet in aller Welt." (Psalm 105:7)
-- "Die Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem HERRN, vor dem Herrscher des ganzen Erdbodens."  (Psalm 97:5)
-- "[Gott] ändert Zeit und Stunde; er setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand;" (Daniel 2:21)
-- "Darum sollt ihr also beten: Unser Vater in dem Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel." (Matthäus 6:9-10)



WORDS ARE WIND

Aus der Broschüre:
"Die Bibel sagt klar und deutlich: „Die ganze Welt liegt in der Macht dessen, der böse ist“ (1. Johannes 5:19).
Überlegen wir einmal: Klingt das nicht einleuchtend?"

Korrekt, es klingt nicht einleuchtend.

Wie wir an dieser Stelle sehen werden, gibt es neben dem Zitate-aus-dem-Kontext-reißen eine weitere subtile, raffinierte Methode, die Bibel genau das sagen zu lassen, was man gerne hören würde. Man muss nur den Text so verändern, dass die Bedeutung mit der eigenen Interpretation übereinstimmt. Genial!

Denn wenn wir mal in die Bibel schauen, ob sie wirklich klar und deutlich sagt, was die Zeugen Jehovas uns weismachen wollen, finden wir dieses:

"Wir wissen, daß wir von Gott sind und die ganze Welt im Argen liegt."
(1. Johannes 5:19 - Lutherbibel 1912) 

"Wir wissen, daß wir aus Gott sind und die ganze Welt im argen liegt;"
(1. Johannes 5:19 - Schlachter 1951)

"Wir wissen, dass wir aus Gott sind und dass die ganze Welt sich im Bösen befindet."
(1. Johannes 5:19 - Schlachter 2000)

"Wir wissen, dass wir von Gott stammen und dass die ganze Welt um uns herum vom Bösen beherrscht wird."
(1. Johannes 5:19 - Neue Evangelische Übersetzung)

Ganz offensichtlich ist hier die Rede vom "Bösen" als abstraktes Konzept und nicht als Person. So wie auch normale Leute das Wort benutzen.
Der Blick ins Wörterbuch verrät uns, dass das altgriechische Wort aus dem neuen Testament, das laut Zeugen "Satan" bedeutet (πονηρός) in Wirklichkeit tatsächlich eine Idee beschreibt und keinen leibhaftigen Teufel.
Sofern man also auf den komischen Gedanken kommt, den Text der Bibel ernst zu nehmen, findet man in der zitierten Stelle nicht die Antwort darauf, warum wir leiden, obwohl wir Geschöpfe Gottes sind -- es wird lediglich eben genau dieser Widerspruch formuliert.



BAD MEN

Die Zeugen Jehovas geben dem armen Teufel allerdings nicht die gesamte Schuld an all der Misere unserer Erde. Der allmächtige Schöpfer Jehova ist natürlich völlig unschuldig, aber neben Satan trägt auch der Mensch Verantwortung für sein Leid.

Aus der Broschüre:
"Ein zweiter Grund, warum es so viel Leid gibt, liegt darin, dass der Mensch, wie in Kapitel 3 erklärt wurde, seit der Rebellion im Garten Eden unvollkommen und sündig ist.
Sündige Menschen streben oft nach Macht, was wiederum Kriege, Unterdrückung und Leid zur Folge hat (Prediger 4:1; 8:9)."

Einen Moment mal: Also Krieg, Unterdrückung und Leid sind unvermeidbare Konsequenzen von Macht? Wenn das stimmt, was sagt das über Jehova, den Allmächtigen, aus? Dass er vollkommen gut ist? Klingt einleuchtend.

(Die Tatsache, dass auch hier wieder die angegebenen Bibelstellen in keiner Weise das beinhalten, was uns die Zeugen glauben machen wollen, wird uns wohl nicht mehr so arg verwundern.)

Aus der Broschüre:
"Ein dritter Grund für das Leid ist „Zeit und unvorhergesehenes Geschehen“ (Prediger 9:11). In einer Welt, über die Jehova nicht als schützender Herrscher regiert, muss manch einer leiden, weil er sich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort befindet."

Anders gesagt:
Warum lässt Gott Leid zu? Weil er Leid zulässt.



SHERLOCK

Im Folgenden wird uns geschildert, wie Satan zu seiner Rolle als Welt-Diktator gekommen ist.

Aus der Broschüre:
"Als Satan Adam und Eva zum Ungehorsam gegen Gott verleitete, zog er etwas Wichtiges in Zweifel. Es war jedoch nicht Jehovas Macht. Auch Satan weiß, dass Jehovas Macht grenzenlos ist. Was er in Zweifel zog, war vielmehr Jehovas Recht zu herrschen. Satan stellte Jehova als Lügner hin, der seinen Untertanen Gutes vorenthält, und beschuldigte ihn somit, ein schlechter Herrscher zu sein (1. Mose 3:2-5). Er behauptete indirekt, den Menschen ginge es besser, wenn sie nicht von Gott regiert würden. Das war ein Angriff auf Jehovas Souveränität, auf sein Recht zu herrschen."

Dass auch hier die Interpretation und der Original-Text nicht wirklich vereinbar sind, geschenkt.
Gehen wir einfach mal davon aus, dass die hier genannte Deutung legitim ist.
Satan hat also eingeräumt, dass Gott mächtig ist, glaubt aber nicht, dass ihn diese Tatsache berechtigt, wie ein Diktator über seine Geschöpfe zu herrschen. Pfui, Teufel!

Aus der Broschüre:
"Adam und Eva rebellierten gegen Jehova. Sie sagten gewissermaßen: „Wir brauchen Jehova nicht als Herrscher. Wir können selbst entscheiden, was richtig und was falsch ist.“
Wie konnte Jehova hier Klarheit schaffen? Wie konnte er allen vernunftbegabten Geschöpfen zeigen, dass die Rebellen im Irrtum waren und sein Weg doch der beste ist? Der eine oder andere denkt vielleicht, Gott hätte die Rebellen einfach vernichten und von vorn anfangen sollen.
 Aber Jehova hatte  bereits erklärt, dass die Erde mit Nachkommen Adams und Evas bevölkert werden sollte, und er wollte, dass sie ewig in einem Paradies auf der Erde leben (1. Mose 1:28). Jehova führt immer aus, was er sich vorgenommen hat."

Aha, also Jehova führt immer aus, was er sich vorgenommen hat* und einer seiner Pläne war, dass Adam und Evas Nachkommen für alle Ewigkeiten im Paradies leben sollte. Kombiniert man diese beiden Tatsachen, ergibt es extrem viel Sinn, wenn Gott beschließt, dass die Nachkommen Adam und Evas das Paradies niemals zu Gesicht bekommen werden, da Jehova die beiden aus dem Paradies verbannt, bevor auch nur eines ihrer Kinder geboren wird, und seitdem keinen Menschen mehr hineinlässt.


*=
-- "Da aber Gott sah ihre Werke, daß sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn des Übels, das er geredet hatte ihnen zu tun, und tat's nicht." (Jona 3:10)

-- "Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, daß es ein halsstarriges Volk ist. Und nun laß mich, daß mein Zorn über sie ergrimme und sie vertilge; so will ich dich zum großen Volk machen. 
Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott [...] Also gereute den HERRN das Übel, das er drohte seinem Volk zu tun." (Exodus 32:9-11,14)

-- "Da reute den HERRN das auch, und der Herr, HERR sprach: Es soll auch nicht geschehen." (Amos 7:6) 



CHILDREN OF THE REVOLUTION

Aus der Broschüre:
"Man könnte die Situation so veranschaulichen: Ein Lehrer erklärt seiner Klasse, wie eine schwierige Aufgabe zu lösen ist. Ein schlauer Schüler behauptet frech, der Lösungsweg des Lehrers sei falsch. Der Schüler sagt, er wisse eine viel bessere Lösung, und unterstellt damit dem Lehrer, dass er unfähig ist."

Es ist selbstverständlich ausgeschlossen, dass ein Lehrer sich tatsächlich einmal in seinem Leben irren könnte. Auch klar ist, dass der Schüler im Beispiel "frech" ist und dem Lehrer implizit völlige Inkompetenz unterstellt und nicht etwa einfach nur den Stoff falsch versteht.

Aus der Broschüre:
"Einige Schüler glauben das und stellen sich auf seine Seite. Was jetzt? Wenn der Lehrer die Störenfriede vor die Tür setzt, was werden dann die anderen in der Klasse denken? Werden sie nicht annehmen, dass die Unruhestifter Recht haben?"

Merke: Wenn man auch nur eine einzige Aussage einer Autoritätsperson anzweifelt, ist man ein "Störenfried" und "Unruhestifter". Denn ein jede Kind sollte wissen, dass eigenständige Gedanken verboten sind.

Aus der Broschüre:
"Vielleicht verlieren sie alle den Respekt vor dem Lehrer, weil sie denken, er habe Angst, dass sich seine Lösung als falsch herausstellt. Aber nehmen wir doch einmal  an, der Lehrer lässt den Besserwisser zeigen, wie er die Aufgabe lösen würde.
So etwa ging Jehova vor.
Vergessen wir nicht, dass die Rebellion in Eden nicht nur Gott und die Rebellen betraf. Millionen von Engeln schauten zu (Hiob 38:7; Daniel 7:10)."

Vergessen wir diese wissenschaftliche Tatsache wahrlich nicht!


Aus der Broschüre:
"Der Lehrer in unserer Veranschaulichung weiß, dass der aufsässige Schüler und seine Anhänger im Unrecht sind. Aber er weiß auch, dass die ganze Klasse davon profitiert, wenn er die Störenfriede versuchen lässt, ihren Standpunkt zu beweisen. Können sie die Aufgabe nicht überzeugend lösen, werden aufrichtige Schüler zugeben müssen, dass es doch am besten ist, wenn der Lehrer die Klasse unterrichtet. Außerdem verstehen sie dann, warum der Lehrer in Zukunft keine Störenfriede mehr dulden wird." 

Wir lernen: Hat der Lehrer ein einziges Mal bewiesen, dass er Recht hatte, beweist dies eindeutig, dass er immer Recht hat. Abweichende Ansichten bedeuten unweigerlich, dass hier "aufsässige" Schüler den Unterricht "stören".
Denn gute Bildung bedeutet ja nicht, aus Fehlern zu lernen, sondern, wie allgemeinhin bekannt, dass man alles, was der Lehrer sagt, unreflektiert als absolute Wahrheit anerkennt, ohne den eigenen Kopf zu benutzen.



WER IST HIER DER BOSS?

Aus der Broschüre:
"Jehovas Vorgehen würde auf die Engel und letztlich auf die ganze vernunftbegabte Schöpfung große Auswirkungen haben. Was tat Jehova also? Er ließ Satan zeigen, wie er über die Erde herrschen würde. Auch ließ Gott zu, dass sich die Menschen unter Satans Führung selbst regieren."

Es scheint, als hätten die Verfasser dieses geistigen Durchfalls sich wie Honigkuchenpferde darüber gefreut, nicht nur eine, sondern gleich zwei Erklärungen für Leid parat zu haben, nämlich Satan und den Menschen, und dabei übersehen, in was für absurd offensichtliche Widersprüche man sich verstrickt.
Die Menschen regieren sich selbst unter der Führung Satans? Was denn nun?
Wenn Menschen sich selbst regieren, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass dies unter der Führung von Menschen geschieht. Wenn Satan aber die Menschen regiert, trifft die Aussage, das Menschen sich selbst regieren, einfach schlichtweg nicht zu. Man muss wahrlich kein Genie sein, um den Widerspruch zu sehen.

Aus der Broschüre:
"Auch Jehova weiß, dass es für alle aufrichtigen Menschen und Engel von Nutzen ist, wenn sie sehen, dass Satan und seine Anhänger gescheitert sind und sich die Menschen nicht selbst regieren können."


Und warum gibt Gott dem Teufel Autorität? Laut der eigenen Aussage der Zeugen war doch folgendes passiert: "Adam und Eva rebellierten gegen Jehova. Sie sagten gewissermaßen: „Wir brauchen Jehova nicht als Herrscher. Wir können selbst entscheiden, was richtig und was falsch ist.“
Die Menschen lehnen Jehova als Herrscher ab, akzeptieren aber daher keineswegs automatisch die Herrschaft des Teufels. Besonders, da sie doch selbst entscheiden wollen, wie sie ihr Leben leben und diese Entscheidung eben nicht einer dritten Person abzugeben.

Um ihnen das Gegenteil zu beweisen, lässt Gott angeblich ein System zu, in dem alle Menschen -- zum größten Teil ohne ihr Wissen -- unter einem enormen Einfluss eines mächtigen, magischen Wesens namens Satan stehen. Und wenn das nicht klappt, bedeutet dies ohne Zweifel, dass Menschen nicht ohne den Einfluss eines mächtigen, magischen Wesens namens Jehova leben können?
Hätte Gott seine moralische Überlegenheit nicht besser beweisen können, indem er den Menschen gestattet, sich tatsächlich selbst zu regieren -- und zwar ohne die Nebenbedingung, dass in der "menschregierten" Welt die Personifizierung des Bösen freie Hand hat?...



IT'S GETTING BETTER ALL THE TIME


"Ein einziger Grundsatz wird dir Mut geben, nämlich der Grundsatz, daß kein Übel ewig währt, ja nicht einmal sehr lange dauern kann." (Epikur)


Nun gut, das klingt bisher überzeugend, sagt jetzt wahrscheinlich niemand. Aber selbst wenn Leid notwendig ist, brauchen wir wirklich so viel davon?

Aus der Broschüre:
"Aber warum hat Jehova Leid so lange zugelassen? Und warum verhindert er nicht, dass noch mehr Böses geschieht? [...] Erstens wollte er Satan und seine Anhänger nicht von dem Versuch abhalten, zu beweisen, dass sie im Recht sind. Deswegen musste er ihnen Zeit geben. Nun sind Jahrtausende vergangen, in denen sich die Menschen selbst regieren und alle möglichen Herrschaftsformen ausprobieren konnten. Sie haben zwar in der Wissenschaft und auf vielen anderen Gebieten Fortschritte gemacht, aber trotzdem sind Ungerechtigkeit, Armut, Verbrechen und Kriege immer schlimmer geworden. Man sieht heute ganz deutlich, dass die Menschenherrschaft gescheitert ist."

An diesem Punkt hat der Autor wohl keinen Bock mehr gehabt, seine Leser mit intellektuellen Tricks zu übertölpeln und geht direkt zur Lüge über.
Fakt ist: Armut, Gewaltverbrechen und Kriege lassen sich objektiv aufzeichnen und wir haben die Daten zumindest aus der jüngeren Vergangenheit. Diese zeigen, dass sowohl Armut, Gewaltverbrechen und Kriege nicht mehr werden, sondern weniger. Trotz zweier großer Weltkriege war das 20. Jahrhundert friedlicher als die vorangegangenen.
Im 21. Jahrhundert ist das statistische Risiko zu verhungern, einem Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen, oder im Krieg zu sterben oder verwundet zu werden, so gering wie niemals zu vor in der bekannten Geschichte. Die Behaupten der Zeugen sind schlichtweg falsch.


Aus der Broschüre:
"Zweitens hat Jehova dem Teufel nicht dabei geholfen, über die Welt zu herrschen. 
Nehmen wir an, Gott würde zum Beispiel grauenhafte Verbrechen verhindern. Würde er dadurch die Rebellen nicht genau genommen unterstützen? Würde nicht der Eindruck entstehen, dass sich die Menschen vielleicht doch ganz gut selbst regieren können?"

Okay, das leuchtet ein. Gott kann logischerweise nicht in die Geschehnisse der Geschichte eingreifen, wenn er zeigen will, wie furchtbare eine Welt ist, in der Gott eben nicht in die Geschehnisse der Geschichte eingreift.
Außer, man fragt freundlich und sagt schön "Bitte".

"Die Augen des HERRN merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien; das Antlitz aber des HERRN steht gegen die, so Böses tun, daß er ihr Gedächtnis ausrotte von der Erde. Wenn die Gerechten schreien, so hört der HERR und errettet sie aus all ihrer Not."
(Psalm 34:16-18)

"Da schrieen wir zu dem HERRN, dem Gott unsrer Väter; und der HERR erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsre Angst und Not und führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder"
(Deuteronomium 26:7-8) 

"Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: So ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht allein solches mit dem Feigenbaum tun, sondern, so ihr werdet sagen zu diesem Berge: Hebe dich auf und wirf dich ins Meer! so wird's geschehen.
Und alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, werdet ihr's empfangen."
(Matthäus 21:19-22)

Nehmen wir doch einmal an, Gott würde statt menschlicher Verbrechen nur grauenhafte Naturkatastrophen und schreckliche Krankheiten verhindern. Würde dadurch ebenfalls der Eindruck enstehen, dass sich die Menschen vielleicht doch ganz gut selbst regieren können? Nein, nicht wirklic:. Er würde ihnen lediglich eine faire Chance geben, eine autonome Menschenregierung ernsthaft auszuprobieren. Jehova weiß ja, dass diese letztendlich doch an Gewalt, Krieg und Verbrechen scheitern werden. Zusätzliches Leid durch Pest und Cholera ist dazu nicht vonnöten und damit sinnloses Leid.
Oder anders herum: Wenn Menschen ohne Gottes Schikanen in ihrer Mission einer Selbstregierung nicht scheitern würden, dann wäre die Herrschaft Gottes eben nicht moralisch gerechtfertigt, sondern Tyrannei.

Dies ist eine riesige Schwachstelle im schwachen Argument der Zeugen, Leid sei ein notwendiges Übel. Dies gilt vielleicht für menschengemachtes Leiden, aber es gibt keine plausible Erklärung, warum plötzlicher Kindstod und Ebola nötig und hilfreich dabei sind, Gottes rechtmäßige und gerechte Herrschaft zu beweisen.


Aus der Broschüre:
"Jehova würde sich auf diese Weise einer Lüge mitschuldig machen. Aber ‘es ist unmöglich, dass Gott lügt’ (Hebräer 6:18)."

Logik á la Zeugen:
In der Bibel steht geschrieben, dass Gott nie lügt. Aber wie kann man sich sicher sein, dass die Bibel die Wahrheit sagt? Ganz einfach: Die Bibel ist von Gott persönlich inspiriert und der lügt ja nicht!

Gott ist also nicht in der Lage zu lügen, denn dies ist ihm "unmöglich". So besteht kein Grund, nur einen einzigen Bibelvers anzuzweifeln.

"Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich."
(Lukas 1:37)



DEIN REICH KOMME, DEIN WILLE GESCHEHE

Anstatt uns weiter mit diesem "Satan regiert die Welt und Gott hält sich völlig raus"-Schmarr'n der Zeugen zu geißeln, sollte man erwähnen, dass die Bibel dieser These so ziemlich auf jeder Seite widerspricht.

Eine kurze Zusammenfassung der Events nach der Rebellion im Garten Eden: Kain tötet seinen Bruder und erhält daraufhin von Gott ein Mal von Gott, dass ihn auf magische Weise vor Mord beschützt; Gott ermordet alle Menschen auf der Welt mit einer Flut, bis auf eine einzige Familie; Gott zerstört Sodom und Gomorrha und all seine Bewohner; Gott begeht millionenfachen Massenmord am ägyptischen Reich, um seinem auserwählten Volk zu helfen; dann befiehlt er eben diesem Volk einen Genozid an den Ureinwohnern des gelobten Landes; ...
Klingt das wie ein Gott, der sich bewusst vornehm aus dem Lauf der Menschheitsgeschichte heraushält?
Anscheinend schon, die Zeugen Jehovas kennen ja die Bibel.


"Und der HERR sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.  
Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und sollst ein Segen sein.
Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden."
(Genesis 12:1-3)


Nun gut, ich muss gestehen, dieser Punkt geht an die Zeugen.
Gratulation!


"Denn der HERR ist zornig über alle Heiden und grimmig über all ihr Heer. Er wird sie verbannen und zum Schlachten überantworten. Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen werden, daß der Gestank von ihren Leichnamen aufgehen wird und die Berge von ihrem Blut fließen. [...]
Denn das ist der Tag der Rache des HERRN und das Jahr der Vergeltung, zu rächen Zion."(Jesajah 34:2-8)




AND IN THE END .,.

Die Analogie mit dem Lehrer und seiner Klasse ist auf gewisse Art recht clever (für Zeugen-Propaganda-Verhältnisse). Das Verhalten des Lehrers erscheint vernünftig und nicht ungerecht und so soll man auf die Idee gebracht werden, dass dies auch auf Jehova zutrifft. Aber das funktioniert nur, wenn man den Text überfliegt, anstatt sich aus irgendwelchen Gründen zu weigern, sich intensiv mit dem Material der Zeugen zu beschäftigen -- zum Beispiel weil man sich selbst nicht hasst.
Auf den zweiten Blick wird aber klar, dass das Lehrer-Beispiel so ziemlich nichts mit der Situation Jehovas zu tun hat. Es ensteht den "rebellischen" Schülern keinen Schaden, wenn sie von ihrem Lehrer demonstriert bekommen, warum ihr Denkansatz fehlerhaft war. Im Gegenteil: So funktioniert Lernen. Bei den Rebellen, die sich weigern, Overlord Jehova als Herrscher des Universums zu akzeptieren, steht aber deutlich mehr auf dem Spiel.
Passen wir doch mal die Lehrer-Metapher an: Der Grundschullehrer Herr Gott bringt seinen Erstklässlern bei, dass Feuer gefährlich ist. Das freche Fritzchen bezweifelt die Richtigkeit seiner Warnungen und hält sich für unzerstörbar. Herr Gott tut das einzig Vernünftige in dieser Situation: Er bittet Fritz, sich vor den Augen der Klasse mit Benzin zu übergießen und sich dann anzuzünden.
Die Begründung für diese Maßnahme, die Zweiflern vielleicht etwas radikal erscheint, ist einfach: Es ist das Beste für alle Schüler.

So angepasst wirkt das Verhalten des Lehrers nicht mehr so unumstritten vorbildlich. Und wenn eine Analogie plötzlich das Gegenteil von dem aussagt, was man eigentlich damit erreichen wollte -- einzig und allein, weil man die Analogie ein wenig analoger macht, -- dann war es im Endeffekt keine sonderlich gute Analogie.


Fassen wir mal zusammen: Der Titel des Kapitels lautet "Warum lässt Gott Leid zu?"
Die Antwort der Zeugen darauf lautet: Um die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft über alle Menschen zu beweisen.
Aber: Hat Jehova keine Möglichkeit, seinen Geschöpfen dies auch ohne Leid klarzumachen? Wenn er eine hat, bedeutet das, er lässt die Menschen unnötig und sinnlos leiden, obwohl er ihnen problemlos aus der Klemme helfen könnte. Diese Möglichkeit lässt ihn nicht gerade als gerechten Herrscher erscheinen.
Kann er es nicht, ist er nicht allmächtig. Das Wort "kann", dicht gefolgt von einem "nicht" ist üblicherweise ein guter Hinweis dafür, dass die eigenen Fähigkeiten begrenzt sind und man so die ziemlich strengen Kriterien für das Prädikat "allmächtig" leider nicht erfüllt.

Das Problem des Bösen können die Zeugen Jehovas also mit ihren wilden Erklärungsversuchen nicht einmal ansatzweise knacken. Sie scheitern kläglich an der Logik eines großen, griechischen Denkers, der die Absurdität des christlichen Glaubens bereits entlarvt hatte, bevor das Christentum überhaupt entstanden war.