10. November 2011

WIR SIND HELDEN (Der Mythos Jesus Teil 9)



- Sohn eines Gottes und einer Jungfrau, 
- heilt die Kranken
- verwandelt Wasser in Wein
- kann über Wasser laufen
- kann Tote wiederauferstehen lassen,
- selbst zurückgekehrt aus dem Reich der Toten

Diese Eigenschaften finden sich lange vor der Entstehung des Christentums in Vitas von Figuren aus der griechischen Mythologie. Schon komisch... 

Hat da einer seine Hausaufgaben abgeschrieben?



John Singer-Sargent: Herkules und die Hydra




FRAUENZIMMER

Viele Geschichten um Jesus Christus spiegeln jüdische Mythen wieder - doch man findet darin auch Motive der Kultur des antiken Griechenlands.
Die alten Griechen, die anderes als man vermuten könnte übrigens keine besonders hohe Lebenserwartung hatten, besaßen eine Religion mit einer reichen Mythologie. Die handelte nicht nur von diversen Göttern im Himmel, sondern auch von zahlreichen Helden auf der Erde, die einen menschlichen und einen göttlichen Elternteil hatten. Viele davon hatten wie Jesus eine menschliche, jungfräuliche Mutter.

In der Geschichte um den Helden Attis wird seine Mutter Nana jungfräulich schwanger, nachdem ihr eine Mandel von einem magischen Baum in den Schoß fällt. Ihr Vater sperrt sie zuhause ein, da sie noch unverheiratet und trotzdem schwanger ist. Der wütende Herr Papa will Nana deswegen verhungern lassen, was kein netter Zug ist - obwohl sie Schwangerschaft und Geburt durch göttlichen Beistand dann doch übersteht.
Anderseits kann man den Vater etwas verstehen, warum er die Geschichte von der jungfräulichen Geburt für eine Ausrede halten könnte...

Ein weiterer Held mit einer jungfräulichen Mama ist Perseus. Seine Geschichte beginnt damit, dass seine Mutter Danae von ihrem Vater Akrisios, dem König von Argos, in einem Turm gefangen gehalten wird. Das Orakel von Delphi hatte Akrisios nämlich prophezeit, dass ihn irgendwann ein Sohn seiner Tochter töten werde. Doch der König ist ein Fuchs und denkt sich, wenn er niemals einen Mann an seine Tochter lasse, könne die ja kein Kind bekommen und er so seinem Schicksal entgehen. Aber Pustekuchen!
Zeus schwängert Danae in Form von goldenem Regen. Danach verschwindet er und hält sich aus der Kindererziehung lieber raus.


Danae und Zeus als goldener Schauer, Gemälde von Tizian


Danae und ihr Sohn werden vom König wenig gentleman-like in einer Kiste im Meer ausgesetzt. Der König denkt sich nämlich: Einen Sohn von Zeus zu töten wäre keine gute Idee, aber wenn das Meer ihn umbringt, ist das schon Okay.

Doch der Seegott Poseidon bringt Mutter und Kind sicher an eine Küste. Perseus wächst mit seiner Mutter und einem menschlichen Schwiegervater, dem Fischer Diktys, auf.
Als Erwachsener nimmt er später einmal bei einem Sportwettbewerb teil und erschlägt dabei aus Versehen den untergetauchten Akrisios mit einer Diskusscheibe. So erfüllt sich die Prophezeiung, die der König unbedingt verhindern wollte, mit seinen Handlungen letztendlich aber selbst herbeigeführt hat.

Perseus wurde von den Griechen der Antike als historische Persönlichkeit und erster König des Stadtstaats Mykene angesehen - obwohl die Stories um ihn doch eher fantastisch anmuten. In einer davon köpft er die Medusa, ein Monster in Gestalt einer Frau mit Schlangenfrisur...



SNAKES ON A HEAD

Einst war Medusa ein Mensch, eine normale junge Frau, die sich entschlossen hatte, als Priesterin dem Kult der Athene zu dienen. Athene ist eine ewig jungfräuliche Göttin und die Beschützerin Athens. Sie selbst hatte eine nicht ganz alltägliche Geburt, da sie direkt vom Kopf ihres Vaters Zeus gesprungen ist. Im Athene-Kult mussten alle Priesterinnen Jungfrauen sein. Dies versuchte auch die junge Medusa umzusetzen, mit der Schwierigkeit, dass Meergott Poseidon eines Tages seines Wegs kam und sie vergewaltigte.

Da die Priesterin nicht mehr Jungfrau war, verwandelte die zornige Athene die arme Medusa in ein Monster mit Schlangen auf dem Kopf. Nicht, dass der modische Faux-pas groß auffallen würde, da jeder sofort zu Stein wird, der sie erblickt.
Man konnte einwerfen, dass Athene mit ihrer weit bekannten Weisheit doch vielleicht Poseidon lieber hätte bestrafen sollen, denn der war ja Schuld, eigentlich. Aber nein, es geht immer auf die armen, kleinen Menschen...

Leute in Stein verwandeln kann praktisch sein, wenn zum Beispiel die Zeugen Jehovas vor der Tür stehen, wirkt sich aber nicht besonders gut auf den sozialen Status aus.
So wohnt Medusa allein auf einer Insel, muss sich aber wenigstens um die modische Einrichtung ihrer neuen Umgebung keine Sorgen machen, da sie ständig neue Steinfiguren in Helden-Form reinkriegt.

Indem sich Perseus schließlich rückwärts anschleicht und die Medusa nur in der Spiegelung seines Bronzeschildes beobachtet, gelingt es ihm, das Ungeheuer zu köpfen.
Dieses Abenteuer ist charakteristisch für die griechischen Sagenhelden: Die verlassen sich nämlich nicht nur auf Mut und Stärke, sondern müssen auch Verstand beweisen und clever handeln.

Dann winken auch fette Belohnungen: Der Kopf der Medusa ist nämlich nicht nur ein hübsches Souvenir, sondern auch eine hilfreiche Waffe, da er auch noch nach Medusas Tod Leute in Stein verwandeln kann.
Aus Medusas Nacken entspringt außerdem das geflügelte Pferd Pegasus, ein überaus nützliches Fortbewegungsmittel, mit dem man auch gut angeben kann. Hat ja nicht jeder, so ein fliegendes Zauberpferd.


Der Kopf der Medusa von Peter-Paul Rubens



THEN A HERO COMES ALONG

Unterdessen prahlt die äthiopische Königin Kassiopeia ständig damit, dass ihre Tochter Andromeda die schönste Frau überhaupt auf der Welt sei. Noch schöner gar als die Seenymphen, die Nereiden!
Das hört der ebenfalls sehr eitle Poseidon, der Obergott des Meeres, aber gar nicht gern und schickt ärgerlich ein Seemonster vorbei. Auf Anraten des Orakels wird die Jungfrau Andromeda dem Monster als Opfer dargeboten.

Zum Glück kommt gerade Perseus von seinem Besuch bei der Medusa vorbei. Er befreit Andromeda und tötet das Seeungeheuer. Perseus und Andromeda verlieben sich und wollen heiraten. Blöderweise ist Andromeda bereits einem anderen Mann versprochen...

Es droht eine gewaltsame Auseinandersetzung oder zumindest ein unangenehmes Gespräch. Doch Perseus hat eine schnelle Lösung für das Problem: Er holt den Kopf der Medusa aus dem Sack und verwandelt seinen Nebenbuhler kurzerhand in Stein. Praktisch!


Edward Burn-Jones: Perseus befreit Andromeda


Andromeda und Perseus heiraten und kriegen Kinder. Und wenn sie nicht gestorben sind... Sind sie aber: Selbst Halbgötter müssen nämlich in der Regel sterben.
Doch es gibt auch einen Gottessohn mit einer sterblichen Mutter, der nach seinem Leben unter den Menschen zum Vollgott wurde und von da an für immer und ewig im Himmel bei seinem göttlichen Vater, dem Herrscher über die Welt, weiterlebt. Die Rede ist natürlich von Herkules.



VATER UNSER IM HIMMEL

Göttervater Zeus zeugt neben Perseus noch viele andere Kinder mit sterblichen Frauen. Unter anderem mit seiner eigenen Urenkelin Alkmene, einer Enkelin von Perseus und Andromeda.
Die Ehefrau von Zeus, Hera, findet die inzestuöse Affäre ihres Gatten gar nicht lustig und macht Alkmenes Sohn aus Rache das Leben schwer. Dieser Sohn ist Herakles, bei uns besser bekannt unter seinem römischen Namen Herkules.

Die eifersüchtige Hera versucht Herkules schon als Baby zu töten und schickt giftige Schlangen - doch der kleine Racker zerquetscht die Viecher einfach mit bloßen Händen. Nach diesem Ereignis wird ihm von dem berühmten Seher Teiresias eine große Karriere als Held vorhergesagt.

Auch dem Baby-Jesus wird sein künftiges Schicksal von Propheten offenbart (Lukas 2:22-39). Eine weitere Gemeinsamkeit ist die königliche Herkunft, da Jesus laut Bibel von David, dem größten König der Israeliten, abstammt, während Herkules ein direkter Nachkomme von Perseus ist, dem Gründer von Mykene. Außerdem wurden beide Kinder von einem Stiefvater aufgezogen, da ihre Götterväter durch Abwesenheit glänzen.


Mini-Herkules mit Schlangen, crazy bitch Hera im Hintergrund



ALL WORK AND NO PLAY

Hera macht mit ihrer Rache erst einmal ein paar Jahre Pause. Herkules wird unterdessen erwachsen, heiratet und bekommt Kinder. Es herrscht Friede und Freude und sogar Eierkuchen für unseren sympathischen Kraftprotz.
Doch dann schlägt Hera plötzlich umso brutaler zu: Sie macht Herkules mit einem Zauber wahnsinnig. In diesem Wahn ermordet er seine Kinder. Erst als er wieder zu Verstand kommt, wird ihm bewusst, was er getan hat.

Das Orakel von Delphi rät Herkules, dass er dem König Eurystheus dienen soll, um seine Blutschuld zu vergelten. Was er nicht weiß: Sowohl das Orakel als auch Eurystheus stehen unter dem direkten Einfluss der verrückten Hera.
Eurystheus trägt ihm zwölf Aufgaben auf, die sich Hera erdacht hat, in der Hoffnung, dass Herkules bei ihrer Bewältigung stirbt.

Die Zahl 12 ist in der griechischen, aber auch in der christlichen Mythologie eine besonders wichtige Zahl. Jesus hat zwölf Jünger, seine Lehre wird nach Christi Himmelfahrt von zwölf Aposteln verbreitet.
In der griechischen Mythologie gibt es zwölf Hauptgötter im Olymp, die "Zwölfgötter" und eben die zwölf Aufgaben des Herkules.

Die erste Aufgabe besteht darin, den nemeischen Löwen zu töten, ein übernatürliches Untier, an dessen Fell alle Pfeile einfach abprallen. Herkules macht kurzen Prozess mit der Miezekatze und ringt das Viech mit seiner berüchtigten übermenschlichen Muskelkraft zu Tode.

Der übertrieben starke Held, der einen Löwen mit bloßer Hand tötet - dies war ein alter nahöstlicher Mythos, den die Griechen importiert hatten. Im alten Testament wird er in der Geschichte von Simson recycelt, ist aber viele Jahrhunderte älter.


Eine Liebe, die nicht sein darf.... Francisco de Zurbaran, Herkules und der Löwe



OFF WITH HIS HEADS!

Als zweite Aufgabe muss Herkules die Hydra töten, ein Seeungeheuer mit neun Köpfen, allesamt gespickt mit tödlichen Giftzähnen. Herkules versucht zunächst, auch dieses Problem mit roher Gewalt zu lösen und schlägt der Hydra die Köpfe einfach ab. Doch für jeden abgeschlagenen Kopf wachsen gleich zwei neue nach. Au weia!


Herkules und die Hydra - Gustave Moreau 


Durch einen Trick gelingt es unserem Helden dennoch, das Ungeheuer zu besiegen: Er verbrennt die Stümpfe der abgeschlagenen Hälse mit einer Fackel und verhindert so das Nachwachsen.

Die Hydra erinnert an den siebenköpfigen Drachen im neutestamentarischen Buch der Offenbarung.


Der Drache aus dem neuen Testament (Offenbarung Kapitel 12)


Nach den zwei bestandenen Prüfungen sieht Hera ein, dass Herkules ziemlich gut darin ist, Monster zu töten. Als dritte Aufgabe soll Herkules nun ein Tier lebendig fangen. Doch nicht irgendein Tier, sondern eine magische Hirschkuh, das blöderweise schneller als ein Pfeil rennen kann. Dabei spekuliert Hera darauf, dass die jungfräuliche Göttin der Jagd, Artemis, der die Hirschkuh gehört, Herkules töten würde, falls der ihr das flinke Tier stibitzen würde.
Doch Herkules macht einen Deal mit Artemis und verspricht ihr, sich das Tier nur auszuleihen und später zurückzubringen. Durch die Verhandlung mit der Göttin beweist er, dass er auch gute social skills hat - und nicht nur gute killing skills.



WORKING CLASS HERO

Die vierte Aufgabe, das Fangen eines menschenfressenden Ebers, bewältigt Herkules, indem er diesen in Schnee treibt, in dem das Schwein stecken bleibt.

Die fünfte Aufgabe ist weniger glamourös  als die vorherigen: Herkules soll Pferdeställe ausmisten. Das ist kein leichter Job, da die Ställe die größten der Welt sind, noch nie zuvor gereinigt wurden und Herkules nur einen Tag dafür Zeit hat.
Doch mit einer Kombination seiner Superhelden-Kräfte und Cleverness schafft er auch diese Aufgabe - indem er zwei Flüsse umleitet, so dass sie mitten durch die Ställe fließen.

Wenn man übermenschliche Stärke besitzt und dann noch Sohn des obersten Gottes ist, gerät man in Gefahr, etwas überheblich zu werden. Arroganz führt zum Untergang vieler Figuren der griechischen Mythologie. Dadurch dass Herkules eine Aufgabe bewältigt, die sogar unter normalen Menschen als niedrig gilt, wird unser Held geerdet.
Im neuen Testament gibt es eine Szene, die die gleiche Funktion erfüllt, in der Jesus seinen schockierten Jüngern die Füße wäscht (Johannes 13:5-11).

Bevor Herkules sich an seine nächste Prüfung heranmacht, erfindet er noch nebenbei die Olympischen Spiele zu Ehren seines Vaters Zeus.
Als sechste Aufgabe tötet er menschenfressende Vögeln mit Pfeilen, die mit dem Gift der Hydra getränkt sind. Daher gibt es heutzutage menschenfressende Vögel höchstens noch im Zoo.
Danach fängt Herkules einen wilden Bullen, der die Bewohner Kretas tyrannisiert. In der Zeit, in der die Geschichten um Herkules spielen, gehörte Kreta noch nicht zum griechischen Kulturkreis. Die dort ansässigen Minoer besaßen seit der Bronzezeit eine eigenständige Sprache und Kultur. Der Einflussbereich von Herkules ist also nicht auf eine bestimmte Nation oder Völkergruppe beschränkt: Herkules ist ein Held für alle Menschen.

Die achte Aufgabe besteht in der Zähmung von menschenfressenden Pferden, die einem Riesen namens Diomedes gehörten. Der Riese, der die Pferde durch das Verfüttern von Menschenfleisch zu wilden Bestien gemacht hatte, endet durch Herkules selbst als Pferdefutter. Wie sagt man doch so schön: Wer anderen eine Grube gräbt, den beißen die Pferde.

Herkules' neunte Aufgabe ist das Beschaffen des Gürtels einer Amazonenkönigin, was zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den Kriegerinnen führt.
Zu den Amazonen finden sich beim besten Willen keine biblischen Parallelen - starke und autonome Frauen gibt es in der Bibel nicht.

Die zehnte Aufgabe ist der Raub der Rinderherde des Geryon, seines Zeichens dreiköpfiges Monster und Enkel der Medusa.
Während die Jesus-Saga (eher ungelenk) mit den Stories aus dem alten Testament verbunden wird, finden wir in dieser Aufgabe auch eine Verbindung zwischen Geschichten aus der griechischen Mythologie: Wie einst bei seinem Urgroßvater und Halbbruder Perseus kommt es zur Konfrontation mit einem Ungeheuer aus der altehrwürdigen Monster-Dynastie, dem Medusa-Clan.

Wie wir unseren Helden und sein Talent zu töten mittlerweile kennen, bringt er den Riesen natürlich mit links um und besteht auch diese Prüfung. Doch obwohl er in seinen letzten beiden Aufgaben nichts mehr töten muss, stehen ihm die schwierigsten Prüfungen noch bevor...



CARRY THAT WEIGHT A LONG TIME

Die elfte Aufgabe klingt zunächst gar nicht so hart: Herkules soll einen goldenen Apfel aus einem Garten pflücken, in dem wunderschöne Nymphen wohnen.
Erst einmal muss er diesen Garten allerdings finden. Dies gelingt ihm, indem er einen mysteriösen Gestaltenwandler mit Prophetengabe, den alten Mann des Meeres, fängt und ihn dazu zwingt, ihm zu verraten, wo sich der Garten befindet.

Dummerweise wird der goldene Apfel durch einen sprechenden Drachen mit einem oder manchmal auch mehreren Köpfen bewacht - in manchen Varianten ist es auch eine Schlange.
Ein paradiesischer Garten, eine sprechende Schlange mit Beinen, ein Apfel, den man nicht pflücken darf, weil es von ganz oben verboten wurde. Kommt mir irgendwie bekannt vor...



Herkules legt sich aber nicht mit dem Bewacher des Baumes an und beschließt, die Angelegenheit ohne Blutvergießen zu lösen - obwohl er darin ja unbestrittenermaßen sehr gut ist.

Er bringt jedoch den Vater der Gartennymphen dazu, ihm einen Apfel zu besorgen. Dabei handelt es sich um Atlas, der den verantwortungsreichen und stressbelasteten Beruf hat, den Himmel auf seinen Schultern zu tragen.
Herkules bietet ihm an, seinen Job für eine Weile zu übernehmen, wenn Atlas ihm in dieser Zeit die Frucht besorgt. Gesagt, getan: Atlas kommt mit dem goldenen Apfel wieder. Dann beschließt er aber, dass er eigentlich keine Lust mehr hat, den Himmel auf den Schultern zu tragen und dass Herkules das eigentlich ganz gut macht. Was für ein fauler Sack...
Zum Glück für Herkules ist er auch nicht gerade der Hellste. Herkules willigt ein, den Himmel zu tragen, bittet Atlas aber, ihm noch ein letztes Mal für einen kurzen Augenblick die Last von den Schultern zu nehmen, damit er sein Gewand zurecht rücken kann. Atlas lässt sich darauf ein - und Herkules macht sich aus dem Staub.
Wie doch ein großer und weiser Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einst sagte: "There's an old saying in Tennessee, I know it's in Texas, probably in Tennessee, that says, fool me once... shame on... ... shame on you... Fool me, you can't get fooled again!"

Dieses war der elfte Streich, doch der letzte folgt sogleich...


John Singer-Sargent: Atlas und seine Töchter



THE LAND DOWN UNDER

Als zwölfte und letzte Aufgabe muss Herkules den dreiköpfigen Monsterhund Zerberus von der Unterwelt ins Reich der Menschen bringen.
Zerberus wacht über das Tor zur Unterwelt, den Hades, so dass keine Seele, die dort hingelangt, je wieder zu den Lebenden zurückkehren kann. Dabei schließt sich der Kreis: Wie in seiner ersten Aufgabe den Löwen, ringt Herkules auch dieses Untier ganz ohne Hilfe von Waffen nieder und bringt ihn an die Oberwelt.


William Blake, Zerberus


Diese tollkühne Tat gleicht in seiner Metaphorik zentralen christlichen Mythen.
Herkules steigt ins Totenreich hinab und kehrt von dort zurück. Außerdem bezwingt er das Wesen, das dafür sorgt, dass alle verstorbenen Menschen auch tot bleiben und nie wieder zu den Lebenden zurückkehren.
Jesus verspricht seinen Anhängern, sie von den Toten wiederzuerwecken, damit sie ewig leben können.

"40 Denn das ist der Wille des, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, habe das ewige Leben; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage"  (Johannes 6:40)


Für die Bewältigung der zwölf Aufgaben bekommt Herkules die Unsterblichkeit geschenkt und muss nie mehr in die Unterwelt zurückkehren.

Die meisten Halbgötter der Griechen waren Sterbliche mit übermenschlichen Kräften. Daher ist der Begriff "Halbgott" eigentlich ein Schmarr'n, auch wenn er üblich ist. Götter zeichnen sich dadurch aus, dass sie ewig leben; Halbgötter leben aber nicht eine halbe Ewigkeit. Sie sind voll und ganz sterblich.

Herkules ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme: Auf Grund seiner heldenhaften Verdienste durch die Meisterung der zwölf Aufgaben verleiht Zeus ihm am Ende seines irdischen Daseins die Vollmitgliedschaft im Club der Götter, dem Olymp. Der Gott Herkules wohnt seitdem im Himmel und schaut verächtlich auf uns unbedeutende Sterbliche hinab.

Wie die anderen Olympianer wurde Herkules von den Bewohner des antiken Griechenlands angebetet. Auch dadurch unterscheidet er sich von den meisten anderen Halbgöttern - die wurden zwar durchaus bewundert und verehrt, jedoch nicht von den Gläubigen in religiösen Zeremonien angerufen. Warum auch, schließlich sind sie ja tot. Im Hades hört dich niemand beten...



THIS PLACE IS DEATH

Herkules ist nicht der einzige Sagenheld, der in den Hades hinabsteigt und wieder zurückkehrt. Auch Orpheus, ein sterblicher Sohn des Gottes Apollon, wagt die gefährliche Reise, um seine verstorbene Geliebte Eurydike wiederzuholen.
Dabei hat er den Vorteil, Musik machen zu können, die so schön ist, dass sie jedes Herz erweichen kann. Nachdem Orpheus dem Herrscher der Unterwelt ein trauriges Lied singt, ist dieser so gerührt, dass er Eurydike gehen lässt. Unter der Bedingung, dass sie auf dem Rückweg in die Oberwelt kein einziges Mal zurückblicken dürfe. Ihr könnt euch mit Sicherheit denken, wie die Geschichte ausgeht...


 Orpheus und Eurydike in der Unterwelt


Auch Theseus, der Bezwinger des Minotaurus und sterblicher Nachkomme des Meeresgottes Poseidon, reist in die Unterwelt. Dort wird er zunächst vom Totengott Hades freundlich empfangen. Jedoch denkt der nicht im Traum daran, Theseus wieder gehen zu lassen...
Glücklicherweise befreit ihn Herkules, als er für seine zwölfte Aufgabe gerade in der Gegend ist. Wie Jesus bringt Herkules also nicht nur sich selbst, sondern auch Andere zurück aus dem Totenreich.

Auch wenn eine Hand voll von den größten Helden in die Unterwelt reisen und zurückkehren, ist das keine Alltagsbeschäftigung für Normalos. Der Hades ist in der Mythenwelt der Griechen kein Ort, an dem man ein- und ausgeht. Wer einmal dort ist, kommt in aller Regel nicht zurück.
Nicht nur alle verstorbenen Menschen verbringen dort die Ewigkeit - selbst Götter sind nicht in der Lage, dem Hades zu entkommen...


Der Fluss zur Unterwelt Hades, Gemäde von Jose Benlliure y Gil




CLASH OF THE TITANS

In der griechischen Schöpfungsgeschichte entsteht die Welt aus dem Chaos und mit ihr die Götter. König dieser Götter und Herrscher über die Erde ist zunächst ein lustiger Geselle mit dem Namen Uranos - bis ihn sein eigener Sohn Kronos entmachtet.

Aus Angst, dass seine Kinder ihm zu ähnlich werden und ihm selbst eines Tages die Herrschaft entreißen, frisst Kronos sie einfach auf.
Das ist die beste Methode, sie unschädlich zu machen: Töten kann er sie nicht, da Götter ja unsterblich sind - aber in seinem Magen können sie ihm nichts anhaben und er weiß immer, wo sie sich befinden.

Nachdem ihr jüngster Sohn Zeus geboren wird, denkt sich Kronos' Frau Rhea eine List aus, um dem Kleinen den Aufenthalt im Magen des werten Papas zu ersparen. Sie wickelt einen Felsen in eine Decke und gibt ihn Kronos zum Fraß. Der merkt nichts von dem Schmuh. Das sollte allen eine Lehre sein, dass Essen nicht immer so herunterzuschlingen.

Denn der kleine Zeus wächst zu einem erwachsenen Gott heran und vergiftet Kronos, so dass er seine gefressenen Kinder wieder ausspeit. Zusammen mit seinen befreiten Geschwistern besiegt Zeus seinen Vater und dessen Geschwister, die zwölf Titanen.
Zeus wird König der Welt und die meisten Titanen werden in den Hades verbannt.
Und wenn sie nicht gestorben sind, was bei unsterblichen Götter wohl recht wahrscheinlich ist, dann leben sie noch heute dort.

Die Moral der Geschicht': Kinderfressen bringt schlechtes Karma.


Hungriger, hungriger Kronos... Gemälde von Franscico de Goya



KNABENMORGEN-BLÜTENTRÄUME

Neben dem Herrscher Zeus wurden auch einige seiner Söhne verehrt, wie Apollon, Herkules, Dionysos und Hermes. Es findet auch hier eine gewisse Machtverschiebung auf die nächste Generation statt, nur nicht so gewalttätig wie zuvor.

Das Motiv, dass Götter ihre Dominanz an ihre Söhne verlieren, gibt es auch im Christentum. Immerhin ist Jesus Christus der große Star des neuen Testaments und stiehlt seinem Vater beinahe die Show, während er im alten Testament gar nicht vorkommt.

Während die Mehrzahl der Titanen in den Hades verbannt wird, bekommt Titan Atlas die unbequeme Strafaufgabe, für alle Zeiten den Himmel auf seinen Schultern zu tragen. Auch nicht so toll.

Der Titan Prometheus hatte sich auf die Seite von Zeus geschlagen und ging zunächst straffrei aus. Später bringt er allerdings gegen das Verbot von Zeus den Menschen das Feuer. Zeus bindet ihn für diese Tat an einen Felsen, wo ihn permanent ein Adler die Leber herauspickt - was natürlich nervt.
Vor allem, da es kein Ende findet, da Prometheus ja unsterblich ist. Zum Glück kommt irgendwann Herkules des Weges und befreit Prometheus.


Christian Griepenkerl, Herkules befreit Prometheus



BORN AGAIN

Während die meisten Kinder, die die Götter mit Sterblichen zeugen, nicht unsterblich sind, gibt es neben Herkules eine weitere wichtige Ausnahme von dieser Regel. Dabei handelt es sich um Dionysos, den Gott der Ektase, des Rausches und des Weins.

Dionysos' Mutter ist die Priesterin Semele, eine der zahlreichen menschlichen Geliebten vom Schürzenjäger Zeus. Als Semele schwanger wird, bekommt sie Besuch von Hera, der stets eifersüchtigen Ehefrau von Zeus. Als Mensch verkleidet überredet Hera sie, Zeus dazu zu bringen, sich ihr in seiner wahren, göttlichen Gestalt zu zeigen.
Zeus weigert sich zunächst, da er weiß, dass Sterbliche seinen Anblick nicht ertragen können. Schließlich gibt aber nach einer Weile dann doch nach, um seine Ruhe zu haben.
Beim Anblick von Zeus verbrennt Semele wie vom Blitz getroffen vollständig. Doch ihr Kind überlebt: Zeus näht sich das Baby in seine Schenkel, aus denen der kleine Dionysos einige Wochen später quicklebendig und unsterblich springt.
Aufgrund dieser nicht ganz alltäglichen Herkunft trägt er den Beinamen "dimetor" - der mit zwei Müttern.


Das Ende von Semele


Auch im neuen Testament gibt es die Idee der doppelten Geburt. Um ins Königreich Gottes zu kommen, also unsterblich zu werden, muss man laut Jesus nach seiner körperlichen noch eine spirituelle Geburt erfahren.

"3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?
5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Es sei denn daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.
6 Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist."


(Johannes 3:3-6)


Ein weiteres christliches Motiv finden wir in einer anderen Erzählung um Dionysos und seine Mutter Semele. Nach Semeles Tod durch den Blitz des Zeus steigt der erwachsen gewordene Dionysos in den Hades hinab und holt seine Mutter zu den Lebenden zurück. Nicht nur das: Außerdem macht er sie unsterblich...



RED RED WINE YOU MAKE ME FEEL SO FINE

Sowohl im Jesus-Kult als auch in der Dionysos-Religion spielt Wein in der rituellen Verehrung eine bedeutende Rolle. Dionysos ist der Gott des Weines und so wurde bei ihm geweihten Ritualen auch mit dem Rebensaft nicht gegeizt.
Auch für Christen ist Wein ein Muss. Niemand kann in den Himmel kommen, so meint Jesus in der Bibel, wenn er nicht rituell Wein trinkt, der sich dann durch Zauberei in sein Blut verwandelt. Leute finden wirklich die seltsamsten Ausreden, nur um regelmäßig saufen zu können...

"53 Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.
54 Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.

55 Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank."

(Johannes 6:53-55)




Also lasst euch nicht erzählen, Alkoholkonsum habe negative Folgen. Immerhin verlängert es die Lebenserwartung auf unendlich. 

Das erste Wunder von Jesus im Johannes-Evangelium ist die Verwandlung von Wasser in Wein. Kein Alkohol ist im Christentum definitv keine Lösung - es sei denn, man möchte kein ewiges Leben im Reich Gottes. Wo man im übrigen auch nicht auf Wein verzichten muss...

"22 Und indem sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.
23 Und nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus.  
24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neuen Testamentes, das für viele vergossen wird.
25 Wahrlich, ich sage euch, daß ich hinfort nicht trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis auf den Tag, da ich's neu trinke in dem Reich Gottes."

(Markus 14:22-25)


Die Verwandlung von Wasser in Wein gab es allerdings schon früher als die christlichen Geschichten. In einer Erzählung verzaubert Dionysos eine Quelle, so dass Wein aus ihr sprudelt, um ein Ungeheuer mit dem schönen Namen Agdistis betrunken zu machen und fangen zu können.
Auch Jesus setzt diese Fähigkeit später zum Wohl der Gesellschaft ein, um seine Schäfchen zu erretten vom furchtbaren Leid des Nur-Halb-Betrunkenseins bei einer Hochzeitsfeier (Johannes 2:1-7).



HEAL THE WORLD

Genau wie Dionysos wird auch der große Heiler Asklepios aus dem verbrannten Leib seiner Mutter geboren. Asklepios hat einen göttlichen Vater, nämlich Apollon, der eine menschliche Jungfrau namens Koronis geschwängert hatte. Als Apollon jedoch von ihrer bevorstehenden Hochzeit mit einem Sterblichen hört, lässt er sie aus Eifersucht auf einem Scheiterhaufen verbrennen. Nicht gerade die feine englische Art...

Der Gott Hermes rettet das ungeborene Kind aus dem Feuer. Asklepios wächst heran und wird ein großer Heilmeister. Doch irgendwann ist er so gut im Heilen, dass er Tote wieder lebendig werden lassen kann. Hades, Herrscher über das Totenreich, findet das allerdings gar nicht gut. Nachdem ihm Asklepios ein paar Menschen aus dem Totenreich entrissen hat, beschwert er sich bei seinem Bruder Zeus, welcher Asklepios zur Strafe fürs Zombie-Machen mit einem Blitzschlag tötet.


Ein besserer Arzt als Conrad Murray - Für Asklepios ist sogar der Tod kein Hindernis



WITH A LITTLE HELP FROM MY FRIENDS

Es gibt noch in der griechischen Mythologie noch weitere Geschichten über Figuren, die vom Tod wiedererweckt werden.
Das Leben eines gewissen Glaukos verläuft zunächst kurz und ereignislos, bis er als kleines Kind in einen Honigtopf fällt und darin ertrinkt. Sein Vater, der König von Kreta, lässt den Propheten Polyides mit dem Honigtopf in eine Grabkammer einsperren, in der Hoffnung, der Seher könne das Kind wiederauferstehen lassen. Die Dinge sehen zunächst nicht gut aus für den alten Polyides, denn plötzlich tauchen auch noch Schlangen auf...

Der Prophet haut eines dieser Mistviecher zu Matsche, als eine weitere Schlange den Vorfall bemerkt. Sie beobachtet den ermordeten Kumpanen, schleicht sich davon, kommt mit einer mysteriösen Pflanze wieder und bedeckt die gemordete Gefährtin damit. Als die tote Schlange mit der Pflanze in Berührung kommt, ist sie plötzlich wieder lebendig.
Der Prophet sieht seine Chance und ahnt, dass er den überaus glücklichen Zufall eventuell zu seinem Vorteil nützen könne. Und tatsächlich kann er Glaukos mit der Pflanze wieder lebendig machen. Von nun an bekommt Glaukos keinen Honig mehr zu essen, da er ja als Kind in einen Honigtopf gefallen war.



WASSERLAUF

Glaukos' Schwester Euryale bekommt später einen Sohn vom Meeresgott Poseidon, der zu einem jungen Gentleman mit dem Namen Orion heranwächst. Der vergewaltigt seine Schwiegermutter und wird dafür von seinem Schwiegervater geblendet.
Das ist an sich ja nicht sehr christlich. Das nächste, was Orion tut dagegen schon: So läuft er übers Wasser, von einer Insel zur nächsten. Er gibt verschiedene erhaltene Varianten der Geschichte: In einer watet er als Riese durchs Meer, in einer anderen läuft er allerdings auf dem Wasserspiegel, viel früher übrigens als der langhaarige Held des Christus-Epos.
Wie es in Wirklichkeit war, ob Orion auf dem Meeresboden oder auf dem Wasser spazierte, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen...

Zur Navigation setzt sich der Zwerg Kedalios auf die Schultern des Riesen und führt ihn zum Sonnengott Helios, der ihn wieder sehend macht. Die heitere Erzählung bekommt ein Happy-End, als Zeus Orion nach seinem Tod seine eigene kleine Himmelfahrt spendiert. Als Sternenkonstellation versetzt er Orion an den Himmel, wie viele andere Figuren der griechischen Mythologie auch. Und daher sieht man wenn man die Stadt verlässt manchmal nachts am Himmel so helle Punkte.

Besser getroffen hat es den einst Sterblichen Aeneas. Der ist ein Nachkomme von einem menschlichen Prinzen und der Göttin der Liebe, Afrodite. Nachdem Aeneas von uns gegangen war, bittet Afrodite den Göttervater Zeus, ihn unsterblich zu machen. Zeus willigt ein und so wird Aeneas mit Ambrosia und Nektar gesalbt und zu einem unsterblichen Gott gemacht. Und da gibt es ja durchaus dramatischere Schicksale.


Francois Boucher: Aeneas und Afrodite



WHEN IN ROME, DO AS THE ROMANS DO

Über die Autoren der Evangelien, der Biographien von Jesus Christus, ist sehr wenig bekannt. Die Namen Markus, Matthäus, Johannes und Lukas wurden den ursprünglich anonymen Dokumenten erst sehr viel später hinzugefügt. Zumindest weiß man, dass die Schreiber die griechische Sprache beherrschten, da die Evangelien genau wie der Rest des neuen Testaments in altgriechisch verfasst wurden.

Die kleine Elite, die damals griechisch lesen und schreiben lernte, verfügte auch über eine umfangreiche Bildung in griechischer Kultur - zu der sowohl das Studium der griechischen Literatur, allen voran Homer, und der griechischen Mythologie gehörte. Die Autoren des neuen Testaments dürften die griechischen Sagen also mit ziemlich großer Sicherheit gekannt haben. Denn all die hier erwähnten Mythen gab es zur Entstehungszeit des neuen Testaments in niedergeschriebener Form schon seit Jahrhunderten und als erzählte Sagen teilweise noch bedeutend länger.

Die Kultur der Griechen war den Juden des 1. Jahrhunderts nicht fremd. Seit Alexander der Große im Jahre 332 vor Christus das jüdische Territorium einnahm, das zuvor von den Persern besetzt war, führte er die griechische Kultur ein und verbreitete die griechische Sprache.
Im Jahr 63 vor Christus wurde das jüdische Besiedelungsgebiet römisch besetzt. Auch die Römer waren eng mit der Kultur der Griechen verbunden. Ihre Religion ist fast 1:1 aus Griechenland importiert. Alle wichtigen Mythen wurden fast unverändert übernommen.
Nur die Namen änderten sich: So gibt es beispielsweise die Geschichte von Kronos, der seine Kinder frisst, die dann von Zeus gerettet werden - nur dass Kronos Saturn heißt und Zeus Jupiter. Die zwölf Aufgaben des Herakles gehören zum mythologischen Inventar der Römer, nur dass sie den Helden Herkules nennen - und ihm übrigens zuhause und in ihren Kolonien zahlreiche Tempel bauten.
Aus Dionysos wurde Bacchus, aus Poseidon Neptun, aus Afrodite Venus und so weiter und so fort...

Viele der frühen Christen erkannten durchaus die Parallelen zu den heidnischen Mythen und verleugneten sie gar nicht. So schrieb der heilige Justin im zweiten Jahrhundert:

"Und wenn wir sagen, dass das Wort, der Erstgeborene Gottes ohne eine geschlechtliche Vereinigung gezeugt wurde, und dass Er, Jesus Christus, unser Lehrer, gekreuzigt wurde, starb, wiederauferstand und zum Himmel auffuhr, dann behaupten wir nichts anderes als was ihr von denen glaubt, die ihr für die Söhne Jupiters haltet."

(Sankt Justin der Märtyrer, "Erste Apologie", Kapitel 21)




Herkules-Tempel aus der Römerzeit in Amman (Jordanien)



IS THIS REAL LIFE, IS THIS JUST FANTASY

Heutzutage sind eher wenige Menschen überzeugt, dass Herkules eine reale historische Person war. Doch wenn man Jesus für echt hält, gibt es eigentlich keinen Grund, an der Existenz eines historischen Herkules zu zweifeln. Die Beweislage ist gleich.

Wie Jesus ist Herkules Hauptfigur mehrerer religiöser Texte, die von verrückten und aus heutiger Sicht recht unglaubwürdigen Wundertaten und Abenteuern berichten und sich auch noch gegenseitig widersprechen. Handfeste Beweise wie archäologische Funde oder Zeugenaussagen aus der Lebenszeit unserer Superhelden fehlen völlig.

Doch Jesus kommt auch bei mehreren Historikern vor - die haben zwar viele Jahrzehnte nach Jesus' angeblichen Tod geschrieben, aber immerhin.
Die einzige solche Erwähnung aus dem ersten Jahrhundert findet sich in den "Antiquitates" des jüdischen Geschichtsschreiber Josephus. Doch während diese Erwähnung von den meisten Forschern heutzutage als Fälschung angesehen wird, stammen die drei Stellen aus dem selben Werk, die von Herkules berichten, wohl tatsächlich von Josephus.
Die erste allgemein als echt anerkannte Erwähnung von Jesus in der Geschichtsschreibung kommt vom römischen Historiker Tacitus, der in seinen "Annales" ebenfalls mehrfach über den sympathischen Monsterjäger Herkules schreibt.

Doch wenn es genauso viele Beweise für die Existenz von Herkules gibt wie für die von Jesus, warum beten wir nicht ihn an, singen ihm schöne Lieder und bauen ihm prachtvolle Häuser?
Immerhin ist er definitiv viel cooler und tötet Monster und so...



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallloo*-*
ich schreibe eine seminarfacharbeit über orpheus und eurydike und würde gerne infos über das bild von den beiden bekommen...
könntet ihr mir bitte sagen welcher künstler und wann er das gezeichnet hat?
danke im vorraus^-^

MARIOLANDblog hat gesagt…

Das Bild ist "Orpheus" (1806) von Christian Gottlieb Kratzenstein (11 August 1783 – 24 July 1816): http://en.wikipedia.org/wiki/File:Kratzenstein_orpheus.jpg