6. August 2012

BONUS-MATERIAL (Geschichten aus der Bibel Teil 6)


Alle Christen haben einen Haufen von verrückten und merkwürdigen Geschichten in ihrer heiligen Schrift. Die Katholiken und Orthodoxen haben allerdings noch ein paar mehr als ihre Kollegen...


Die religiösen Texte, die nur in der Bibel der katholischen und orthodoxen Kirche zu finden sind, nennt man „deuterokanonisch“. Dabei handelt es sich um das Buch Tobit, das Buch Judith, das erste Buch der Makkabäer, das zweite Buch der Makkabäer, das Buch Baruch, das Buch der Weisheit, das Buch Jesus Sirach und zusätzliche Szenen zu den Büchern Ester und Daniel.
Juden und Protestanten haben darauf verzichtet, diese Bücher in ihre Bibel aufzunehmen. Dabei haben sie durchaus spannende Geschichten zu erzählen.




PLAYING GOD

Wie zum Beispiel die Sage vom Kampf Daniels gegen babylonische Götter, zu finden in den Zusätzen zum Buch Daniel.
Die Juden sind zu diesem Zeitpunkt im erzwungenen Exil in Babylon. Der Prophet Daniel wird vom babylonischen König aufgefordert, den hungrigen Gott Bel anzubeten. Doch Daniel wittert Betrug...

"3 Nun hatten die Babylonier einen Götzen, den sie Bel nannten, und sie opferten ihm täglich 12 Zentner Mehl, 40 Schafe und 240 Liter Wein.
4 Auch König Kyrus erwies dem Götzenbild seine Verehrung und ging Tag für Tag in den Tempel, um es anzubeten. Daniel aber betete nur zu seinem Gott, dem Gott Israels.
»Warum betest du nicht zu Bel?«, fragte ihn der König
5 und Daniel antwortete: »Ich bete nicht zu Bildern, die von Menschen gemacht sind. Ich bete zu dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat und Herr ist über alles, was lebt.«
6 »Hältst du denn Bel nicht für einen lebendigen Gott?«, fragte der König. »Du siehst doch, wie viel er jeden Tag isst und trinkt!«"

(Zusätze zu Daniel 3-6)





Daniel lacht den König aus. Er ist überzeugt, dass Bel gar kein echter Gott sei. Und er ist auch bereit, das zu beweisen.

"7 Daniel aber lachte und sagte: »Lass dich nicht anführen, mein König! Dieser Gott besteht innen aus Ton und außen aus Bronze und gegessen oder getrunken hat er noch nie!«
8 Voll Zorn rief der König seine Priester und sagte zu ihnen: »Sagt mir, wer all diese Mengen verzehrt, sonst müsst ihr sterben!
9 Wenn ihr mir aber beweisen könnt, dass es Bel ist, muss Daniel sterben, weil er ihn beleidigt hat.«
»So soll es geschehen«, sagte Daniel."

(Zusätze zu Daniel, 7-9)





Daniel streut Asche auf den Boden und entlarvt so die Priester und deren Familien, die jede Nacht durch einen Geheimgang kommen und die Speiseopfer mopsen. Anscheinend hat niemand, auch nicht der König, daran gedacht, die Priester für ihren Job zu bezahlen, so dass sie keinen Betrug nötig hätten, um ihre Familien mit Nahrung zu versorgen.
Die Geschichte kriegt ein Happy End: Daniel darf am Leben bleiben, der vermeintliche Gott ist als Schmuh entlarvt und die Priester und ihre Familien werden getötet.

"19 Daniel aber lachte und hielt den König zurück, der sich schon zum Gehen anschickte. »Schau doch auf den Fußboden«, sagte er; »was sind denn das für Spuren?«
20 »Ich sehe Fußspuren von Männern, Frauen und Kindern«, stellte der König fest.
21 Voll Zorn ließ er die Priester und ihre Familien herbeiholen und sie mussten ihm den geheimen Gang zeigen, durch den sie in den Tempel gekommen waren, um die Opfergaben zu verzehren.
22 Dann ließ er sie töten; das Götzenbild aber überließ er Daniel, der es samt dem Tempel zerstörte."

(Zusätze zu Daniel 19-22)



Mit einer fast wissenschaftlichen Vorgehensweise hat Daniel greifbare Beweise gegen die Existenz von Bel geliefert. Aber Achtung, liebe religiöse Mitbürger: So viel Skeptizismus und Logik darf man natürlich nur bei fremden Religionen anwenden. Bei dem wahren Glauben sind Beweise irrelevant - es sei denn man kann damit den lächerlichen, dummen Glauben der Heiden als Schmarr'n entlarven.



DRACHE IST BLUTWURST

Daniel hat den ersten Gott besiegt. Doch die Babylonier haben gleich mehrere Götter und beten auch einen Drachen an...

"23 Die Babylonier verehrten auch einen großen Drachen.
24 Der König sagte zu Daniel: »Der ist ja wohl ein lebendiger Gott! Das kannst du nicht bestreiten. Also bete ihn an!«"

(Zusätze zu Daniel 23-24)



Man könnte erwarten, dass jetzt wieder so ein Lehrstück über falsche Götter folgt, durch das wir lernen, dass es nur einen einzigen Gott gibt. Wahrscheinlich ist der Drache in Wirklichkeit aus Pappmaché und wird von Puppenspielern bewegt, oder es ist eine große Echse mit aufgeklebten Geierflügeln.
Doch dem ist nicht so: Denn den Drachen gibt es wirklich...

"25 Daniel erwiderte: »Ich bete den Herrn, meinen Gott, an; er allein ist ein lebendiger Gott.
26 Wenn du es erlaubst, König, werde ich den Drachen ohne Schwert oder Keule töten.«
»Ich erlaube es dir«, sagte der König.
27 Da nahm Daniel Pech und Fett und Haare, knetete es zusammen und machte Fladen daraus. Die gab er dem Drachen zum Fressen und der zerplatzte.
»Da seht ihr, was ihr anbetet«, sagte Daniel."

(Zusätze zu Daniel 25-27)





Der große Prophet Daniel ermordet also einen armen Drachen, ohne dass der ihm irgend etwas getan hat. Eigentlich hätte er ahnen können, dass er sich bei den Babyloniern nicht gerade beliebt macht, wenn er ihre Götter tötet.
Das Volk ist in der Tat nicht gerade begeistert über Daniels Kreuzzug gegen ihre Religion und versammelt sich wütend vor dem Palast. Sie fordern den König auf, Daniel herauszugeben, damit sie ihn lynchen können.

"28 Als die Babylonier davon erfuhren, wurden sie wütend und rotteten sich gegen den König zusammen. Sie schrien: »Der König ist ein Jude geworden! Bel hat er zertrümmert, den Drachen hat er getötet und die Priester abgeschlachtet!«
29 Sie gingen zum König und sagten: »Gib uns Daniel heraus! Sonst bringen wir dich selbst um und deine ganze Familie.«"

(Zusätze zu Daniel 28-29)



Kyrus ist König über das riesige babylonische Reich und Befehlshaber über eine gigantische Armee, die Nachbarländer wie Israel militärisch überrollt hat. Dennoch hat er anscheinend keine gute Security und daher keine andere Wahl, als die Forderungen des wütenden Mobs zu erfüllen...

"30 Der König sah, dass es ihnen ernst war, und unter dem Druck der aufgebrachten Masse lieferte er Daniel aus."

(Zusätze zu Daniel 30)




DER KÖNIG DER LÖWEN

Der babylonische Pöbel will Daniels Tod. Doch anstatt ihm einfach auf der Stelle den Kopf abzuschlagen, entscheiden sie sich wie James-Bond-Bösewichte für einen komplizierten, langwierigen Plan und gehen nach Hause, bevor Daniel tot ist.
Angesichts dessen, dass er gerade einen göttlichen Drachen ohne Waffen getötet hat, ist die Idee nicht sonderlich gut, Daniel mit Löwen einzusperren und ihn dann unbeobachtet zu lassen, anstatt ihm einfach ein Schwert in den Bauch zu rammen und die Sache hinter sich zu bringen.

"31 Sie warfen ihn in die Löwengrube; dort blieb Daniel sechs Tage lang.
32 In der Grube waren sieben Löwen, denen sonst täglich zwei Menschen und zwei Schafe vorgeworfen wurden. Jetzt gab man ihnen nichts, damit sie sich auf Daniel stürzen sollten."

(Zusätze zu Daniel 31-32)





Gott hat jetzt die perfekte Gelegenheit, Daniel zu retten. Er könnte die Löwen in Schafe verwandeln oder Daniel spektakulär durch die Lüfte fliegen lassen oder ähnliches, um eindrucksvoll seine Macht zu beweisen und es mal wieder allen zu zeigen.

Doch der HERR hat ebenfalls eine Vorliebe für unnötig komplizierte Pläne. Er lässt zunächst den Propheten Habakuk aus Juda mit einem Privat-Engel einfliegen. Der Engel könnte Habakuk unter die Arme greifen oder um die Taille, aber er ist ja nicht schwul und um gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, packt er ihn einfach bei den Haaren und macht sich mit ihm auf und davon.

"33 Damals lebte in Juda der Prophet Habakuk; der hatte gerade eine Suppe gekocht und Brot hineingebrockt und wollte sie den Schnittern aufs Feld bringen.
34 Da befahl ihm der Engel des Herrn: »Bring das Gericht nach Babylon zu Daniel in der Löwengrube!«
35 »Herr«, erwiderte Habakuk, »ich war noch nie in Babylon und von einer Löwengrube weiß ich auch nichts.«
36 Da packte ihn der Engel des Herrn an den Haaren und brachte ihn mit der Kraft seines Geistes in Windeseile nach Babylon an den Rand der Löwengrube."

(Zusätze zu Daniel 33-36)


Nach der wahrscheinlich wenig komfortablen Reise bringt Habakuk Daniel Suppe. Und das war's. Weder der Engel noch der Prophet helfen ihm aus der Grube, sondern gehen, nachdem sie Daniel sein Essen gebracht haben, wieder nach Hause.

"37 Habakuk rief: »Daniel, Daniel! Diese Mahlzeit schickt dir der Herr!«
38 Da rief Daniel: »Gott, du hast wirklich an mich gedacht! Du lässt deine Getreuen nicht im Stich!«
39 Dann stand er auf und aß; Habakuk aber wurde vom Engel des Herrn auf demselben Weg wieder nach Hause gebracht."

(Zusätze zu Daniel 37-39)





Wozu die Nummer gut war, erfahren wir nicht. Daniel ist nach sieben Tagen in der Grube immer noch nicht gefressen und wird freigelassen. In dieser Zeit wäre er wohl auch ohne Habakuks Suppe nicht verhungert.
Hätte der HERR nicht etwas Spektakuläreres veranstalten können mit einem Propheten und einen Engel – ein etwas beeindruckenderes Wunder als Suppe mit Brot?
Wenn Gott schon mal einen seiner besten Propheten aus dem Ausland einfliegen lässt, wäre dies doch die ideale Gelegenheit, den Babyloniern zu beweisen, dass man sich besser nicht mit dem HERRN anlegt. Vielleicht hätte er das schon längst mal machen sollen, schließlich haben die Babylonier das Land von Gottes erwählten Volk eingenommen, den Tempel in Jerusalem zerstört und die Juden ins Exil gezwungen. Doch das eindeutigste Zeichen, zu dem sich der HERR durchringen kann, ist, dass Daniel nach einer Woche nicht von den Löwen verspeist wurde.

"40 Am siebten Tag ging der König zur Löwengrube, um für Daniel die Totenklage zu halten; aber als er hinunterblickte, sah er ihn unversehrt dort sitzen.
41 Da rief er mit lauter Stimme: »Groß bist du, Herr, du Gott Daniels! Es gibt keinen anderen Gott außer dir.«"

(Zusätze zu Daniel 40-41)


Der König hat eingesehen, dass nicht einmal eine schreckliche Armee von sieben Löwen Daniel etwas anhaben können und schließt daraus, dass dies wohl ganz sicher bedeute, dass es keine Götter außer den HERRN geben könne.

Etwas vorschnell, wenn ihr mich fragt. Schließlich hat Gott nicht verhindert, dass sein erwähltes Volk besiegt und ins Exil geschickt wird, sondern nur einen Sieg eingefahren in einem siebentägigen Duell gegen sieben Raubkatzen.
Hätte ich ein geladenes Maschinengewehr, hätte auch ich sieben Tage in der Grube verbringen können. Bedeutet das, dass der Hersteller des Gewehrs die Welt erschaffen hat und der einzige Gott im Universum ist?



WER NICHT FRAGT BLEIBT DUMM

Eine weitere Geschichte aus den Zusätzen zum Buch Daniel erzählt uns, wie Daniel als junger Mann in einen Gerichtsprozess verwickelt wird. Die Juden befinden sich noch nicht im Exil und haben noch eine autonome Regierung. Doch ihr Gerichtssystem lässt etwas zu wünschen übrig.
Die Story beginnt, als Gott persönlich über einen Justizirrtum aufgeklärt wird und daher seinen Mitarbeiter Daniel vorbeischickt.

"44 Der Herr hörte Susannas Hilferuf.
45 Als sie zur Hinrichtung abgeführt wurde, brachte der Geist Gottes einen noch ganz jungen Mann namens Daniel dazu,
46 dass er laut protestierte. Er rief: »Ich will nichts damit zu tun haben, wenn diese Frau unschuldig getötet wird!«
47 Alle wandten sich ihm zu und fragten: »Was hat das zu bedeuten? Was willst du damit sagen?«"

(Zusätze zu Daniel 44-47)





Eine jüdische Frau namens Susanna wird des Ehebruchs bezichtigt. Die dafür in Gottes Gesetz vorgesehene Strafe ist die Steinigung. Doch Daniel ist von der Unschuld der Frau überzeugt. Er tadelt die Richter, die Angeklagte hätte keinen fairen Prozess bekommen.
Obwohl das Urteil bereits gesprochen wurde, wird die Verhandlung nun neu aufgenommen.

"48 Daniel trat vor und sagte: »Habt ihr den Verstand verloren, Männer von Israel? Ohne Verhör und ohne Beweis verurteilt ihr eine israelitische Frau!
49 Nehmt sofort die Gerichtsverhandlung wieder auf! Die beiden haben eine falsche Beschuldigung erhoben.«
50 Sofort kehrten sie alle um. Im Haus Jojakims sagten die Ältesten des Volkes zu Daniel: »Setz dich hierher zu uns und sag, was du weißt! Du bist noch so jung, aber Gott hat dir die Weisheit des Alters geschenkt!«"

(Zusätze zu Daniel 48-50)


Daniel verhört aber nicht Susanna, sondern die beiden Richter, die im Rechtssystem des Gottesstaats Judäa offenbar gleichzeitig die Anklage vertraten und das Urteil sprechen konnten.

"51 Daniel sagte: »Trennt die beiden weit voneinander, damit sie sich nicht verständigen können! Ich will sie verhören.«
52 Dann rief er den einen und sagte zu ihm: »Nicht in Ehren, sondern in Schande bist du grau geworden! Aber jetzt trifft dich die Strafe für alle Sünden, die du begangen hast.
53 Als Richter hast du das Recht gebeugt: Unschuldige hast du verurteilt und Verbrecher hast du laufen lassen. Und der Herr hat doch gesagt: 'Einen Unschuldigen sollst du nicht töten!'"

(Zusätze zu Daniel 51-53)


Da darüber offenbar Unklarheit herrschte, hat Gott explizit befohlen, keine Unschuldigen zu töten. Doch laut Daniel war das Gericht gerade im Begriff, dies zu tun. Im Unterschied zu den zwei wenig kompetenten Richtern kann Daniel seine Anschuldigungen beweisen. Er bringt die beiden dazu, sich in Widersprüche zu verwickeln und setzt zusätzlich die altbewährte Verhörmethode des „battle rap“ ein.

"54 Nun, wenn du diese Frau beim Ehebruch ertappt hast, dann sag mir doch: Unter was für einem Baum lag sie mit dem fremden Mann?«
»Unter einer Buche«, antwortete er.
55 Daniel erwiderte: »Unter einer Buche? Dass Gott dich verfluche! Diese Lüge kostet dich Kopf und Kragen! Der Engel Gottes hat schon Befehl erhalten, dich in Stücke zu hauen.«
56 Daniel ließ ihn abführen und den anderen herbeibringen. Zu ihm sagte er: »Du Nachfahre von Kanaan und nicht von Juda! Frauenschönheit hat dich verführt, Liebestollheit hat dir den Verstand geraubt!
57 Frauen aus dem Nordreich Israel könnt ihr so erpressen, sie werden euch aus lauter Angst zu Willen sein. Aber eine Frau aus Juda lässt sich das nicht gefallen.
58 Sag mir doch: Unter was für einem Baum hast du sie mit dem fremden Mann ertappt?«
»Unter einer Fichte«, antwortete er.
59 Daniel erwiderte: »Unter einer Fichte? Dass Gott dich vernichte! Diese Lüge kostet dich den Hals. Der Engel Gottes wartet schon mit dem Schwert, um dich mittendurch zu spalten. Er wird mit euch beiden kurzen Prozess machen!«

(Zusätze zu Daniel 54-59)

Daniel macht den Richtern/Anklägern klar, dass sie so eine Nummer vielleicht mit den jüdischen Frauen aus dem Nordreich Israel machen könnten, höchstwahrscheinlich mit Heiden, aber ganz sicher nicht mit den Frauen aus dem Südreich.
Die Richter bekommen nach dem Gesetz Gottes die Strafe, die es auch für das Verbrechen gibt, dessen sie Susanna beschuldigt hatten.

"60 Da priesen alle Versammelten mit lauter Stimme Gott, der die Bedrängten rettet, die ihm vertrauen.
61 Darauf nahmen sie sich die beiden Ältesten vor, die Daniel durch ihre eigene Aussage überführt hatte. Weil sie sich als lügenhafte Ankläger erwiesen hatten, wurde über sie dieselbe Strafe verhängt, die sie der fälschlich angeklagten Susanna zugedacht hatten.
62 Nach der entsprechenden Vorschrift im Gesetz Moses wurden sie beide hingerichtet.
So wurde die unschuldige Susanna an jenem Tag vom Tod gerettet."

(Zusätze zu Daniel 60-62)



Ist das wirklich eine gute Idee für ein Gerichtssystem: Falsche Ankläger sofort hinrichten?
Hatten die Richter denn selbst ein ausführliches und gerechtes Verfahren für ihr Todesurteil? Wohl kaum. Was ist, wenn sie doch Recht gehabt hätten? Natürlich, die Unschuld Susannas wird uns in der heiligen Schrift von Gott versichert - aber ich traue ihm nicht, diesem wahnsinnigen Bastard.
Die menschliche Erinnerung funktioniert nicht wie eine Videokamera. Auch bei ehrlichen Zeugenaussagen kommt es oft zu verfälschten oder ungenauen Einzelheiten. Dass ein Zeuge von einer Buche, der andere von einer Fichte spricht, ist kein eindeutiger Beweis, dass beide Männer definitiv bewusst und mutwillig eine falsche Anklage geführt haben und dafür hingerichtet werden müssen.
Was ist wenn nur einer der Richter eine Falschaussage gemacht hat, mutwillig oder nicht?..

Wenn so eine Praxis öffentlich bekannt ist, würde ich als Zeuge eines Verbrechens lieber schweigen - so schwer es mir auch prinzipiell fällt, die Klappe zu halten. Denn wenn ich mich nicht an alle Details genau erinnern kann oder ein anderer Zeuge etwas anderes erzählt, könnte es mich meinen Kopf kosten.
Und den brauch ich noch. Nicht nur zum hübsch aussehen, sondern gelegentlich auch, um mir Drogen und Junk-Food zuzuführen. Daher würde mich ungern auf diese liebgewonnene Körperteil verzichten.


"63 Ihr Vater Hilkija, ihre Mutter, ihr Mann Jojakim und alle ihre Angehörigen priesen Gott, weil Susanna von jedem Vorwurf reingewaschen worden war."

(Zusätze zu Daniel 63)


Dass man den HERRN lobt ist eine Standardfloskel in biblischen Texten. An dieser Stelle sollte man doch auch mal Daniel loben. Dieser hat schließlich eine Unschuldige vor dem Tod bewahrt und gleichzeitig zwei Verbrecher überführt. Und das allein durch ein simples Verhör. Gott zeigt uns hier eine effektive Methode, Dinge zu beurteilen: Nachfragen, neugierig sein, alle Puzzleteile rational zusammensetzen.
Dafür braucht man nicht einmal Religion. Ab und zu kommt es sogar vor, dass ein nicht-religiöser Mensch sogar noch besser darin ist, sich auf harte Fakten zu stützen und nichts anderes. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde...

Gott wird immer wieder erwähnt und lobgepriesen, weil das damals einfach so Brauch war. Aber in den antiken Detektiv-Storys von Susanna und vom falschen Gott Bel ist die Figur Gott unwichtig. Daniel benutzt seinen Verstand, um durch physische Beweise Illusionen aufzulösen, die von hohen Autoritäten dazu verwendet werden, die einfachen Leute zu verarschen.
Diese skeptische Haltung ist ein zweischneidiges Schwert und könnte auch gegen den Bibelgott verwendet werden. Daher gingen die Juden und Protestanten wohl auf Nummer Sicher, den Text erst gar nicht in ihr magisches Buch aufzunehmen.
Denn mit der gleichen Methode, mit der man die Täuschungen und absurden Vorstellungen von anderen entlarven kann, kann man auch seine eigenen Täuschungen und absurden Vorstellungen entlarven. Und wer will das schon?



A MAN'S WORLD

Die Bibel erzählt nicht gerade oft Geschichten über selbständige und starke Frauen.
Nur zwei der 66 Bücher der protestantischen Bibel sind aus Sicht einer Frau geschrieben: Das Buch Rut und das Buch Ester. Das Buch Rut erzählt die Story einer jüdischen Frau, die ihren Mann verliert, dann das furchtbare Schicksal erleidet, eine unverheiratete Frau sein zu müssen und schließlich wieder heiratet. Die Suche einer Frau nach ihrer Rolle in der Gesellschaft endet erwartungsgemäß hinter dem Herd.



Das Buch Ester beginnt damit, dass der persische König seine Frau abschießt, weil die sich weigert, vor seiner betrunkenen Party-Gesellschaft zu tanzen. Der sympathische Gentleman lässt einen öffentlichen Brief verfassen, in denen alle Frauen angehalten werden, den Befehlen ihres Mannes bedingungslos Gehorsam zu leisten. [Mehr dazu hier]
Um eine neue Dame an seiner Seite zu finden, lässt er sich Jungfrauen wie auf einem Viehmarkt präsentieren. Er wählt die schließlich die heimlich jüdische Waise Ester zu seiner neuen Königin. Die ist zwar die Titelheldin und darf ein Komplott gegen den König aufdecken und ein jüdisches Fest begründen – trotzdem verdankt sie ihre Macht einzig und allein dem König, der immer die Hosen im Haus anbehält.




Sowohl Ester als auch Rut sind komplett durch ihre Ehe definiert. Ester ist nicht die Herrscherin, sie ist bloß die Frau an der Seite eines großen Mannes. Rut findet ihr Glück als Hausfrau und Mutter.
Da wundert es, dass die einzige Geschichte, in der die Titelheldin eine clevere und toughe Killerbraut ist, nur in den Bibeln der katholischen Kirche zu finden ist, die eigentlich nicht unbedingt für ihren radikalen Feminismus bekannt ist.



HALSABSCHNEIDERIN

Die Protagonistin aus dem Buch Judith glänzt weder wegen ihres Mannes, noch handelt sie auf den Befehl irgend eines Mannes. Klingt seltsam, ich weiß.
Die Geschichte spielt in einer Zeit, als Gottes Reich einmal wieder von Feinden besetzt war, wie meistens. Die jüdische Frau Judith schleust sich als Spionin in das Lager des feindlichen Hauptmannes Holofernes. Sie gibt vor, eine von dessen Gespielinnen zu sein.

"17 Da wallte dem Holofernes sein Herz; denn er war entzündet mit Begierde nach ihr.
18 Und er sprach zu ihr: Sitz nieder, trink, und sei fröhlich; denn du hast Gnade gefunden bei mir.
19 Und Judith antwortete: Ja, Herr, ich will fröhlich sein, denn ich bin mein Leben lang so hoch nicht geehrt worden.
20 Und sie aß und trank vor ihm, was ihr ihre Magd bereitet hatte.
21 Und Holofernes war fröhlich mit ihr, und trank so viel, wie er nie getrunken hatte sein Leben lang."

(Judith 12:17-21)


Judith spielt eine von ihr erwartete Frauenrolle, die Konkubine - doch bewusst und mit Berechnung. Nachdem sie den Hauptmann unter den Tisch gesoffen hat, ist er genau da, wo sie ihn haben will. Sie spricht sich durch ein Gebet Mut zu und schlägt Holofernes den Kopf ab...

"3 Holofernes aber war auf sein Bett hingefallen und schlief; denn er war ganz trunken. [...]
7 Nach solchem Gebet trat sie zu der Säule oben am Bett und langte das Schwert, das daran hing,
8 und zog es aus und ergriff ihn beim Schopf und sprach abermals:
9 Herr Gott, stärke mich in dieser Stunde! Und sie hieb zweimal in den Hals mit aller Macht und schnitt ihm den Kopf ab; danach wälzte sie den Leib aus dem Bette und nahm den Vorhang von den Säulen weg mit sich.
10 Danach ging sie heraus und gab das Haupt des Holofernes ihrer Magd und hieß sie es in ihren Sack stoßen."

(Judith 13:3,7-10)




In einem direkten Duell mit Schwertern hätte eine Frau sicherlich keine Chance gegen einen gut trainierten Soldaten gehabt. Doch Judith ist cleverer als ihr Gegner und wird zur Heldin des Tages - auch wenn erwartungsgemäß alle paar Minuten dem HERRN alle Lorbeeren zugesprochen werden.
Doch Judith war es, die die Feinde infiltrierte und dabei jederzeit damit rechnen musste, entdeckt, gefoltert und ermordet zu werden, und die letztendlich das Schwert in der Hand hielt und Holofernes von seinem Kopf trennte (- oder von seinem Körper, je nach Betrachtungsweise).
Das ist nicht ganz einfach, nicht physikalisch und sicherlich nicht psychologisch. Judith hat also keinen besonders angenehmen Abend, während Gott im Himmel auf seinem fetten Arsch sitzt und Regenwolken über Wohngebiete mit einer hohen Rate von Kindern, die am Vortag ihren Teller nicht geleert hatten, schickt.

Wenn Gott doch angeblich so toll ist, warum lässt er die ganze Arbeit immer von Menschen verrichten und macht sich nicht mal ausnahmsweise selbst nützlich?



YOU CAN LEAVE YOUR HEAD ON

Später trifft Judith sich samt dem Sack mit Holofernes' Haupt mit einem gewissen Achior und zeigt ihm, wer hier der Boss ist und wer die Bitch.

"26 Danach forderte man den Achior; zu dem sprach Judith: Der Gott Israels, von dem du gezeugt hast, daß er sich an seinen Feinden rächen kann, hat diese Nacht der Gottlosen Haupt umgebracht durch meine Hand.
27 Und daß du es sehest, so ist hier der Kopf des Holofernes, der den Gott Israels trotzig gelästert hat, und dir den Tod gedroht, da er sprach,
28 wenn das Volk Israel gefangen würde, so wollte er dich mit ihnen erstechen lassen.
29 Und da Achior des Holofernes Kopf sah, entsetzte er sich, daß er erstarrte."

(Judith 13:26-29)



Was lernen wir daraus? In gefährlichen Situationen sollten wir nie den Kopf verlieren, sondern dafür sorgen, dass dies dem Feind geschieht. Im Endeffekt ist Mord nämlich immer die beste Lösung für jedes Problem.
Im Prinzip haben wir es hier also mit der selben Moral zu tun, die 10 von 9 Bibelgeschichten vermitteln. Wenn nicht mehr.




 
LAZING ON A SUNDAY AFTERNOON

Bei den Geschichten über triumphale Siege von unterlegen scheinenden Menschen, die Gott auf ihrer Seite haben, könnte man auf die Idee kommen, dass es immer und für jeden nur Vorteile hat, zum erwählten Volk Gottes zu gehören. Doch für hunderte der "Makkabäer", jüdische Widerstandskämpfer gegen die seleukidischen Besatzung, wurde ihr Glaube zum Verhängnis.

Alexander der Große hatte einst die halbe Welt erobert, doch nach seinem Tod zerfiel sein Reich in vier Teile. Eines davon war das seleukidische Reich, zu dem auch das gelobte Land der Juden gehörte. Da die Juden ihre Religion unter der Fremdherrschaft nicht mehr ungestört öffentlich ausleben durften, versammelten sie sich für ihre Rituale heimlich in der Wüste.
Unsere heitere Erzählung beginnt an einem Sabbat, dem Tag, an dem die Juden laut Gottes Gesetz nicht die geringste Arbeit verrichten dürfen und den HERRN anbeten müssen.
Die Besatzer haben die Juden entdeckt und greifen an. Was tun: Kämpfen? Das wäre ja Arbeit. Macht Gott diesmal vielleicht eine Ausnahme unter diesen besonderen Umständen oder verschieben die Juden den Sabbat auf einen Ausweichtermin?

"31 Da aber des Königs Volk zu Jerusalem in der Stadt Davids hörte, daß etliche sich wider des Königs Gebot setzten und sich aus den Städten getan hätten, sich heimlich in der Wüste zu verstecken und aufzuhalten, und daß viel Volks zu ihnen gezogen war,
32 erhoben sie sich eilend am Sabbat, sie zu überfallen; 

33 und ließen ihnen sagen: Wollt ihr noch nicht gehorsam sein? Ziehet heraus und tut, was der König geboten hat, so sollt ihr sicher sein.

(1 Makkabäer 2:31-33)



Gott kann sich auf seine Leute verlassen: Wie er es ihnen befohlen hat, heiligen sie den Sabbat ohne wenn und aber. Der HERR schaut stolz wie Oskar vom Himmel herab, wie sein Volk ihn innig verehrt und dann brutalst massakriert wird.

34 Darauf antworteten sie: Wir wollen nicht herausziehen, gedenken auch, den Sabbat nicht zu entheiligen, wie der König gebietet. 
35 Und die draußen stürmten den Felsen;
36 und die drinnen wehrten sich nicht, warfen nicht einen Stein heraus, machten auch die Höhlen nicht zu
37 und sprachen: Wir wollen also sterben in unsrer Unschuld; Himmel und Erde werden Zeugen sein, daß ihr uns mit Gewalt und Unrecht umbringt.
38 Also wurden die drinnen am Sabbat überfallen und ihre Weiber und Kinder samt dem Vieh umgebracht, bei tausend Personen."

(1. Makkabäer 2:34-38)




Ist das Leben von unschuldigen Menschen weniger wichtiger als das wöchentliche Sabbat-Ritual? Das sahen nicht alle so - daher beschließen die Juden sich zu wehren, sogar am Wochenende. Da sie sich schon einmal die Mühe gemacht hatten, sich Waffen zu besorgen, gehen sie zudem schnell dazu über, selbst anzugreifen, um eifrig und zornig Andersgläubige zu ermorden.

"39 Da Mattathias und seine Freunde solches hörten, tat es ihnen sehr weh;
40 und sie sprachen untereinander: Wollen wir alle tun wie unsere Brüder und uns nicht wehren wider die Heiden, unser Leben und Gesetz zu retten, so haben sie uns leicht ganz vertilgt.
41 Und beschlossen bei sich. So man uns am Sabbat angreifen würde, wollen wir uns wehren, daß wir nicht alle umkommen, wie unsre Brüder in den Höhlen ermordet sind.
42 Und es sammelte sich eine große Menge der Frommen, tapfere Leute aus Israel, die alle beständig blieben im Gesetz;
43 und kamen zu ihnen alle die, so von der Tyrannei flehen, und mehrten ihre Stärke.
44 Darum rüsteten sie sich auch und erschlugen viel Gottlose und Abtrünnige in ihrem Eifer und Zorn, die übrigen aber gaben die Flucht und entrannen zu den Heiden."

(1. Makkabäer 2:39-44)


Die Rebellion gegen König Antioch läuft nun zu Gunsten der Juden, die wieder und wieder Siege erringen. Der König wollte die Juden zwingen, fremde Gebräuche anzunehmen und ihre eigenen Traditionen aufzugeben. Doch die vorbildlichen Diener des HERRN schaffen die religiöse Tyrannei des Antioch ab: Die Juden haben nämlich ihre eigene Religion, die sie allen anderen Bewohnern aufzwingen wollen – notfalls mit Gewalt.

"45 Danach zogen Mattathias und seine Freunde umher im Lande Israel und rissen die Altäre wieder nieder
46 und beschnitten die Kinder, so noch unbeschnitten waren, mit Gewalt
47 und griffen die Gottlosen an; und es ist ihnen gelungen,
48 daß sie das Gesetz erhielten wider alle Macht der Heiden und Könige, daß die Gottlosen nicht über sie Herren wurden."

(1. Makkabäer 2:45-48)



Es lebe die Freiheit!*
(* den einzig wahren Gott anbeten zu dürfen)



ENDE GUT?

Der schönste Schluss eines Buches, den man innerhalb und außerhalb der Bibel findet, ist das Ende des zweiten Buchs der Makkabäer. Das geht in etwa so: „Das Buch ist zu Ende. Ich hoffe es hat euch gefallen! Wenn nicht, kann ich da auch nichts machen... Ende.“

"38 So will ich nun hiemit dies Buch beschließen, nachdem Nikanor umgekommen und die Juden die Stadt wieder erobert haben.
39 Und hätte ich's lieblich gemacht, das wollte ich gerne. Ist's aber zu gering, so habe ich doch getan, soviel ich vermochte.
40 Denn allezeit nur Wein oder Wasser trinken, ist nicht lustig, sondern zuweilen Wein, zuweilen Wasser trinken, das ist lustig. Also ist's auch lustig, so man mancherlei liest.
Das sei das Ende."

(2 Makkabäer 15:38-40)


Besser könnte ich es nicht sagen: Das sei das Ende.




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>>Teil 6: "Bonus-Material"



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